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Gejagt: Whistleblower Edward Snowden ist in Hongkong untergetaucht und hat weitere Enthüllungen angekündigt.

Foto: AP

Ex-NSA-Mitarbeiter und Prism-Aufdecker Edward Snowden hat sich aus seinem Zufluchtsort Hongkong dem britischen "Guardian" für einen Chat zur Verfügung gestellt. Dabei hat er mehr über das Überwachungsprogramm und seine eigenen Pläne verraten.

"Geehrt" von Dick Cheney

Zuletzt hatten die US-Regierung und ehemalige hochrangige Politiker schwere Vorwürfe gegen Snowden geäußert. Dick Cheney, einst Vizepräsident unter George W. Bush, bezeichnete den Whistleblower gar als Verräter, der mit seinen Aufdeckungen Beihilfe für Terroristen leiste.

Diese Attacke kontert Snowden gegenüber dem "Guardian": "Von Dick Cheney ein Verräter genannt zu werden ist die höchste Ehre, die man einem Amerikaner verpassen kann. Und je panischer er und andere solche Leute reagieren, desto besser ist es für alle." Er erinnerte daran, dass es Cheney gewesen sei, der die gesetzliche Grundlage für Telefonabhörung ohne Richterbeschluss geschaffen und den Irak-Krieg vorbereitet habe.

Erwartet kein faires Verfahren in den USA

Gleichzeitig betonte Snowden, keinerlei US-Operationen gegen militärische Ziele in China ausgeplaudert zu haben. Seine Veröffentlichungen beträfen ausschließlich das Eindringen der NSA in zivile Infrastruktur wie Universitäten und Spitäler. Anderslautende Behauptungen bezeichnete Snowden als "vorhersehbare Schmutzkübelkampagne".

Obwohl Island sein bevorzugtes Asylland ist, hat er Hongkong für seine Ausreise gewählt, weil es dort die rechtlichen Voraussetzungen gegeben habe, nicht auf US-Druck sofort eingesperrt zu werden. Die Gefahr, während der Reise abgefangen zu werden, soll in Richtung Hongkong geringer gewesen sein. Die USA zu verlassen, in denen sich Snowden kein faires Verfahren erwartet hatte, sei jedenfalls ein "unglaubliches Risiko" gewesen, zumal NSA-Angestellte Auslandsreisen 30 Tage im Voraus bekanntgeben müssten.

Unterschied US-Bürger/Ausländer nur theoretisch

Von Obamas zweiter Amtszeit hatte Snowden sich mehr Transparenz und eine Abkehr vom Überwachungskurs erhofft - weshalb er Prism nicht schon zuvor aufgedeckt habe. Als die Obama-Regierung jedoch den Kurs noch verschärfte und Ermittlungen über systematische Verstöße gegen Vorschriften abwürgte, habe er das Überwachungsprogramm auffliegen lassen.

Der Schutz von US-Bürgern vor Prism sei rein theoretischer Natur, so Snowden im "Guardian"-Chat. Denn in technischer Hinsicht habe es nur eine Hürde gegeben - einen Filter mit chronisch veralteten Daten. Laut Snowden besteht die Unterscheidung zwischen US-Bürgern und Ausländern hauptsächlich, um den Aufschrei in den USA in Grenzen zu halten. "Überwachung ohne Verdacht ist nicht okay, nur weil sie 95 Prozent der Welt statt 100 Prozent betrifft", so Snowden.

Verschlüsselung kann helfen

Doch wie kann man sich vor dem Überwachungsapparat schützen? "Verschlüsselung funktioniert", meint der Whistleblower dazu. "Ordentlich implementierte, starke Verschlüsselungssysteme gehören zu den wenigen Dingen, auf die man sich verlassen kann." Abschwächend ergänzt er aber: "Leider ist die Sicherheit an den Endpunkten oft so schrecklich schwach, dass die NSA sie regelmäßig umgehen kann."

Dass die harsche Behandlung anderer Personen, die die Geheimnisse des Sicherheitsapparats ausplaudern, eine abschreckende Wirkung hat, denkt er nicht. "Bürger mit einem Gewissen werden diesen falschen Weg nicht hinnehmen, nur weil man sie zerstören würde. Stattdessen werden diese drakonischen Reaktionen nur dazu beitragen, dass die Whistleblower künftig noch besser werden." Er selbst hat weitere Aufdeckungen angekündigt. Die Wahrheit werde ans Tageslicht kommen, so Snowden, selbst wenn ihn die US-Regierung einsperre oder ermorden lasse. (red, derStandard.at, 18.06.2013)