Wien - Vukosava T. beginnt so unkontrolliert zu schluchzen, dass Vorsitzender Norbert Gerstberger den Schöffenprozess gegen Sorin C. unterbrechen muss, um der 52-Jährigen Gelegenheit zu geben, sich zu sammeln. Ihr Auftritt zeigt, was Verbrechen bei Opfern anrichten - im Fall des 19-jährigen C. geht es um zweifache versuchte Vergewaltigung.

Staatsanwältin Elisabeth Böhm wirft ihm vor, am 24. März zunächst bei einer Bushaltestelle in Wien-Ottakring straffällig geworden zu sein. Um 5.15 Uhr näherte er sich dort der wartenden Zeugin T. und starrte sie an. "Der Blick war psychisch krank", beschreibt sie. Als sie weggehen wollte, versetzte ihr der wegen Raubes vor eineinhalb Jahren zu 15 Monaten bedingt verurteilte Angeklagte zunächst einen Faustschlag ins Gesicht, dann packte er sie. Die Staatsanwaltschaft vermutet zunächst einen versuchten Handtaschenraub - nach der Aussage der Zeugin scheint klar, dass er ihr die Kleider vom Leib reißen wollte.

Zeuge schritt nicht ein

"Ich habe um Hilfe geschrien, da war ein älterer Mann, aber der hat nichts gemacht." Der Täter ließ dennoch von ihr ab und suchte sich wenige Minuten später sein nächstes Opfer, diesmal bei einer Straßenbahnhaltestelle.

Dort packte er ohne Vorwarnung Dragana J. von hinten, schlug sie mit Fäusten, trat sie, stopfte ihr Schnee in den Mund, dass sie zu ersticken glaubte, öffnete ihre Hose.

Irgendwie schaffte es die 54-Jährige, mit dem Handy die Nummer ihres Mannes zu wählen, der in der nahen Wohnung schlief. "Ich habe nur Schreie gehört und zuerst gedacht, meine Frau hatte einen Unfall", sagt Momcilo J. zum Gericht. "Ich bin hinuntergelaufen und habe ihn auf dem Boden fixiert und die Polizei gerufen." Alles, während seine Frau grün und blau geschlagen reglos auf dem Boden lag - sie hatte einen Herzanfall erlitten.

"Du kannst sie doch nicht treten"

Das fast Unglaubliche: Auch hier gab es einen Zeugen. "Als die Polizei gekommen ist, kam der her und hat zum Angeklagten gesagt: 'Trottel, was hast du mit der Frau gemacht, du kannst sie doch nicht treten'", schildert der Ehemann. Bevor sein Name aufgenommen wurde, verschwand der Mann.

Der Angeklagte sagt zu den Vorwürfen - nichts. Beziehungsweise: "Ich kann mich an nichts erinnern, bekenne mich aber schuldig." Er sei an dem Abend mit Freunden fort gewesen, habe mindestens zehn Bier und fünf Whiskeys getrunken, ab dem zweiten Lokal verblasst aber seine Erinnerung und setzt erst wieder ein, als er mit Handschellen gefesselt auf dem Boden liegt.

Allerdings: Die Amtsärztin stellte später keinen Alkohol im Blut fest, auch die Opfer berichten nichts von starker Alkoholisierung. Für Sachverständigen Wolfgang Klupp ist daher klar: Zum Tatzeitpunkt könne er maximal ein Promille gehabt haben.

Emotionslose Entschuldigung

Sein Verteidiger Robert Pohle mutmaßt, dass jemand seinem Mandanten Drogen in ein Getränk gegeben hat - und versucht, ihn im besten Licht dastehen zu lassen. "Ich habe ihn in der Haft als ausgeglichene, nicht gewalttätige Persönlichkeit kennengelernt."

Erst in seinem Schlusswort entschuldigt sich der emotionslose C. bei den Opfern. Das rechtskräftige Urteil fällt milde aus: Bis zu 15 Jahre wären möglich, er erhält vier Jahre, dazu kommen 15 Monate aus dem früheren Prozess. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 19.6.2013)