Wien - Mitunter leuchtet die bekannt sympathische Musikerlebniswelt auf: Bobby McFerrin, dessen Vokalstil mit Registerwechseln und perkussiven Pointen eine ganze Band simulieren kann, falsettiert da und dort spontan in Richtung Bebop. Diesen Mix aus Musikalität und Artistik - ein Markenzeichen, wie auch die Einbindung von Sangesfähigkeiten jener, die seine Konzerte besuchen.

Am Bühnenrand sitzt dann McFerrin mit zwei Mikros in Händen und reicht eines - im Rahmen einer uneitlen Audienz - an jene weiter, die singend seine Nähe suchen. Anschließend Umarmung. Mitunter auch Küsschen.

Das alles kennt man seit Jahren. Neu aber ist, dass dieser Stil- und Entertainmentaspekt vielfach im Hintergrund bleibt, was mit McFerrins neuer CD und dem Versuch, Songs vielfach konventionell und unjazzig zu singen, zusammenhängt. spirit you all ist dem alten religiösen Repertoire Amerikas gewidmet und auch seinem Vater Robert McFerrin, dem ersten Afroamerikaner, der an der New Yorker Met engagiert war.

Implantierte Stile

Das Interessante dabei: Alte Hadern wie Swing Low und Whole World werden stilistisch nicht künstlich in ihre Entstehungszeit zurückgezwängt. McFerrin hat vielmehr eine gediegene folkig-bluesige Band um sich, mit der er das Uraltrepertoire genau in jene Stile hüllt, die aus den Spirituals letztlich herausgewachsen sind. Da McFerrin (diesmal vielleicht etwas indisponiert und klanglich also teilweise blass) mit klarer und gelassener Diktion an das Repertoire herangeht, entsteht sogar ein charmant-buntes Stilkonglomerat. Dass McFerrin bei seinen eigenen Songs - etwa Jesus Makes It Good - ein bisschen flach klingt, ist allerdings auch nicht ganz zu überhören.

In Summe jedoch war die Performance beim Beginn des Jazzfestes Wien in der Stadthalle natürlich kontrastreich genug: Da sitzt der Sänger am Klavier, stimmt scherzhalber Beethovens Mondscheinsonate an oder singt plötzlich wie Heino oder er bestellt beim Publikum einen Song. Autumn Leaves wird zunächst als Tango präsentiert, dann verjazzt. In solchen Augenblicken ist Bobby McFerrin dann improvisierend ganz bei sich, da wieder in seinem ganz speziellen Stilkosmos. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 19.6.2013)