Bild nicht mehr verfügbar.

Christine Lagarde hegt eine Freundschaft der besonderen Art mit Nicolas Sarkozy.

Foto: Reuters/Jose Luis Magana

Seit zwei Tagen sorgt die IWF-Chefin Christine Lagarde in Frankreich für reichlich Gesprächsstoff. Doch diesmal geht es nicht um Eurorettung oder Krisenstaaten. Es geht um ihre Person selbst. Ein von ihr verfasstes, und von der französischen Tageszeitung Le Monde veröffentlichtes Schreiben lässt Lagarde in ihrem politischen Umfeld in einem neuen Licht erscheinen - möglicherweise sogar erblassen.

Der handgeschriebene Brief endet mit Christine L. Er wurde nie abgeschickt, ist undatiert und hatte einen ganz bestimmten Zweck. Nur den einen nicht: Er sollte wohl nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Kurz, prägnant und deutlich wendet sich die ehemalige Geschäftsanwältin Christine Lagarde an Nicolas Sarkozy.

"Lieber Nicolas, ganz kurz und mit tiefem Respekt", beginnt Lagarde ihr Schreiben, um sogleich unterwürfig auf den Punkt zu kommen: "Ich bin an deiner Seite, um Dir und Deinen Projekten für Frankreich zu dienen." Der - vermutlich - frisch gewählte Präsident begleitete Lagarde bereits ihr gesamtes Karriereleben. Nachdem Sarkozy im Mai 2007 zum Präsidenten gewählt wird, steigt Lagarde für kurze Zeit zur Ministerin für Landwirtschaft und Fischerei auf, wenig später hievt Sarkozy sie ins Finanzministerium.

"Ich selbst hege keinerlei persönliche politische Ambitionen, ich habe nicht den Wunsch, ein sklavischer Ehrgeizling zu werden wie viele in Deinem Umkreis und deren Loyalität in letzter Zeit mitunter nur von kurzer Dauer ist. Benutze mich so lange, wie es für Dich passt (...) Wenn Du für mich Verwendung findest, brauche ich Deine Führung und Unterstützung: Ohne Führung wäre ich ineffizient, ohne Unterstützung wäre ich nicht sehr glaubwürdig. Mit meiner immensen Bewunderung, Christine L."

Zufallsfund bei Razzia

Gefunden wurde das Schreiben bei einer richterlichen Hausdurchsuchung im Rahmen der sogenannten Tapie-Affäre. Die 57-jährige Lagarde steht unter Verdacht, in ihrer Zeit als Wirtschaftsministerin eine Entschädigungszahlung von rund 400 Millionen Euro an den früheren Adidas-Haupteigner und Sarkozy-Vertrauten Bernard Tapie ermöglicht zu haben. Weil das Geld aus der Staatskasse kam, wird ihr Beihilfe zur Veruntreuung öffentlicher Mittel vorgeworfen.

Seit Juli 2011 ist Lagarde mit einer Jahresgage von knapp 470.000 Dollar Chefin des Internationalen Währungsfonds. Ihre Ernennung fällt ebenfalls in die Amtszeit von Sarkozy. Zukunft offen. Ins 17. Jahrhundert zurückückblickend könnte man die Worte von François VI wirken lassen: "Die beste Art, sich selbst zu täuschen, ist zu glauben, dass man listiger ist als die anderen." (Sigrid Schamall, derStandard.at, 19.6.2013)