Stephanie Mohr inszeniert Mitterers "Jägerstätter".

Foto: Ingo Pertramer

Wien - Es dauerte lange bis zur allerhöchsten Anerkennung des widerspenstigen Bauern Franz Jägerstätter (1907-1943) aus St. Radegund. Der Landwirt und Katholik verweigerte die Ableistung des Waffendienstes in der deutschen Wehrmacht. Seine Geltendmachung von Gewissensgründen wurde 2007 von Rom mit der Seligsprechung geehrt.

Felix Mitterers Theaterstück Jägerstätter, das am Donnerstag seine Uraufführung im Wiener Josefstadt-Theater erlebt, erzählt in 30 knappen Szenen das Leben eines Unergründlichen nach. Jägerstätter bezahlte die Weigerung, seine Hände mit Blut zu beflecken, mit dem Tod durch das Beil. Aus einem impulsiven Wirtshausraufer und liebenden Familienvater wurde ein Neinsager aus Überzeugung. Sein Credo - Gregor Bloeb spielt den Widerspenstigen in Wien und anschließend in Haag - lautet denkbar schlicht: "Nein. Ich kann es nicht. Nicht für diese Verbrecher."

Was tut man mit "Helden"

Regisseurin Stephanie Mohr (40) weist jeden Gedanken an Helden- oder Heiligenverehrung weit von sich. "Ich empfinde den Umgang mit Begriffen wie 'Held' oder 'Heiliger' eher schwierig oder einschränkend. Weil der Begriff 'Held' natürlich missbraucht wird. Was ich an Mitterers Stück sehr mag, ist der Versuch, das Schwarz-Weiß der Figurenzeichnung aufzuheben und dem Geheimnis eines Menschen auf die Spur zu kommen."

Kein Geheimnis ist die mehr als zögerliche Anerkennung, die Jägerstätter im Nachkriegsösterreich zuteilwurde. Menschen wie Jägerstätter wurden ähnlich wie die Wehrmachtsdeserteure als Feiglinge und Verräter an den "Kameraden" denunziert. Anfang der 1970er-Jahre drehte Axel Corti einen kargen, schlichten Jägerstätter-Film. In den USA hatte der Katholik und Pazifist Gordon Zahn dem Verweigerer bereits in den 1960ern ein ganzes Buch gewidmet. Man hätte schon sehr früh über "den Fall Jägerstätter" Bescheid wissen können.

Der große britische Lyriker W. H. Auden lebte von 1958 bis 1973 im niederösterreichischen Kirchstetten. Dort widmete er ein Gedicht seinem 1945 verstorbenen Nazi-Kollegen Josef Weinheber, in dem er dessen Engagement für die "völkische" Sache ausgerechnet mit einem Hinweis auf Jägerstätter geradezurücken versucht: "Was, hättest du je von / Franz Jägerstätter gehört, / dem Bauern aus St. Radegund, / der dem arischen Staat sein einsames / Nein entgegenhielt / und geköpft wurde, / hätte dein Herz dir als Österreicher, / als Dichter gesagt? (...)". Man wusste von Jägerstätter. Man wollte an ihn lieber nicht erinnert werden.

Mitterers Stück konfrontiert einen lebenslustigen, jungen Menschen mit einem ominösen Chor. Mohr: "Ich habe die Gestalt des Chors aufgebrochen. Diese ländliche Gemeinschaft ist etwas Fluktuierendes, Figuren, die gerade nicht dran sind, bilden jeweils den Chor. Jägerstätter fällt ja auch aus der Gemeinschaft heraus." In einer der Schlüsselszenen gerät der Verweigerer an den damaligen Linzer Bischof. Dessen Wort an sein um Hilfe bittendes Schäfchen ist vernichtend: "Ihnen ist nicht zu helfen." (Ronald Pohl, DER STANDARD, 20.6.2013)