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Gyula Horn (re.) durchschnitt symbolisch mit Alois Mock die Stacheldrahtgrenze.

Foto: APA/Jäger

Im Alter von 80 Jahren ist am Mittwoch im Budapester Militärkrankenhaus der Reformkommunist und ehemalige ungarische Ministerpräsident Gyula Horn gestorben.

Der aus einer Arbeiterfamilie im "roten" Budapester Außenbezirk Angyalföld stammende Politiker erlangte als Außenminister der letzten, reformkommunistischen Regierung vor der Wende Berühmtheit, als er mit seinem österreichischen Amtskollegen Alois Mock am 27. Juni 1989 die Stacheldraht-Grenze ("Eiserner Vorhang") symbolisch durchschnitt.

Horn wurde damit zum "medialen Gesicht" der ungarischen Grenzöffnung, die in der Folge zur Massenflucht von DDR-Bürgern via Ungarn in den Westen und dann zum Fall der Berliner Mauer führte. Es war auch Horn, der am 10. September 1989 im ungarischen Fernsehen bekanntgab, dass zehntausende in Ungarn festsitzende ausreisewillige DDR-Bürger von nun an frei nach Österreich ausreisen können - was der letzte Anstoß zum Kollaps der kommunistischen DDR war.

Das Verdienst gebührte auch dem damaligen Ministerpräsidenten Miklós Németh, anderen Kabinettsmitgliedern sowie Diplomaten, die diese Wende im Umgang Ungarns mit dem "sozialistischen Bruderland" DDR entsprechend applaniert hatten: Durch behutsames Informieren des sowjetischen Reform-Parteichefs Michail Gorbatschow, aber auch das vertrauliche Involvieren  der BRD-Regierung von Helmut Kohl. 1990 erhielt Gyula Horn für seinen Anteil an der deutschen Einigung den Karlspreis der Stadt Aaachen.

Horn war auch 1989/90 maßgeblich daran beteiligt, den Reformflügel der kommunistischen Herrschaftspartei USAP aus dieser herauszulösen und als sozialdemokratisch orientierte Ungarische Sozialistische Partei (MSZP) neu aufzustellen. Bei den ersten freien Parlamentswahlen 1990 ging diese noch mit einem Stimmanteil von elf Prozent ziemlich unter. Doch Horn hielt die Partei unbeirrt zusammen und führte sie nur vier Jahre später zu einem denkwürdigen Wahlsieg.

Von 1994 bis 1998 bekleidete Horn die Position des Regierungschefs. 1998 scheiterte er an der Wiederwahl, er unterlag Viktor Orbán (damals 35). Nach 1998 blieb er einer der "grauen Eminenzen" in der MSZP, war im Ausland aber insgesamt immer angesehener als in Ungarn. 2007 erlitt er einen gesundheitlichen Zusammenbruch und fiel in ein Koma, aus dem er nicht mehr erwachte. (Gregor Mayer, DER STANDARD, 20.6.2013)