Der Nacktmull: Noch nie wurde beobachtet, dass eines dieser Nagetiere Krebs hatte.

Foto: Brandon Vick/ University of Rochester

London - Sie sind klein, haben keine Haare, leben unter der Erde und sind für die menschlichen Vorstellungen eines süßen Haustiers ziemlich hässlich: der Nacktmull (Heterocephalus glaber). Die kleinen Nager sind vielleicht nicht so süß wie Katzenbabys, dafür haben sie eine andere erstaunliche Eigenschaft, die wiederum sehr begehrenswert für den Menschen ist: Noch nie wurde beobachtet, dass ein Nacktmull Krebs hatte. Außerdem haben die etwa 50 Gramm schweren Tiere, die an den Übergangszonen zwischen Wüste und fruchtbareren Gebieten leben, eine ungwöhnlich hohe Lebenserwartung. Man weiß von Tieren, die 28 Jahre alt geworden sind, ein Vielfaches von jenem von Mäusen und anderen Nagern.

Wissenschafter rund um Andrei Seluanov and Vera Gorbunova von der Unversity of Rochester in New York haben nun untersucht, was im Körper der Nacktmulle die Tumorbildung unterbindet. Sie wurden dabei auf eine klebrige Masse aufmerksam, die bei den Zellkulturen die Vakuumpumpen verstopfte. In Proben von Menschen oder Mäusen gab es keine solche Substanz. "Wir mussten herausfinden, was das schmierige Zeug ist", erinnert sich Seluanov.

Sie identifizierten den Stoff als eine Hyaluronsäure mit sehr hohem Molekulargewicht. Als die Forscher die Substanz entfernten, entdeckten sie, dass die Zellen danach anfällig auf Tumorbildung waren. Die Anreicherung des Nacktmullgewebes mit dem Stoff muss also eine Rolle bei der Krebsresistenz der Tiere spielen, berichten Gorbunova und Seluanov im Fachmagazin "Nature".

Sie fanden auch ein Gen mit Namen HAS2, das für die Bildung der Hyaluronsäure in den Nacktmullen verantwortlich ist. Überraschend war, dass sich das Gen der Nacktmulle von HAS2 in allen anderen Tieren unterschied, so die Forscher. Als nächstes wollen sie klären, ob das " klebrige Zeug" auch die Signalübertragung blockiert, die im Gewebe von Mäusen zu Tumorbildung führt. Dann soll die Substanz auch an menschlichen Zellen getestet werden.

Die Forscher glauben, dass die Erkenntnisse rund um die Hyaluronsäure zu neuen Behandlungsmethoden gegen Krebs führen könnten. "Ein großer Teil der Krebsforschung beschäftigt sich mit Tieren, die anfällig auf Krebs sind", sagt Gorbunova. "Wir glauben, dass man von Tieren auch lernen kann, Tumore zu verhindern." (pum/DER STANDARD, 20. 6. 2013)