Wien - Erich Foglar (FSG) führt auch die nächsten fünf Jahre den österreichischen Gewerkschaftsbund. Beim Bundeskongress im Wiener Austria Center wurde er Donnerstagnachmittag von 93,5 Prozent der Delegierten gewählt. Vor vier Jahren bei seiner ersten Wahl waren es nur 88,9 Prozent. Bestätigt wurden auch seine Stellvertreter Sabine Oberhauser (FSG) und Christgewerkschafter Norbert Schnedl mit 89,4 bzw. 89,1 Prozent.
Bei der Vorstandswahl schnitten pro-ge-Chef Rainer Wimmer und der neue Vorsitzende der Gewerkschaftsjugend Sascha Ernszt mit 98,4 Prozent am stärksten ab. Frauen erzielten bei den Delegierten die schwächsten Ergebnisse. Besonders hart erwischte es zwei Vertreterinnnen der FCG, Monika Gabriel und Sabine Lukse, die mit 78,6 bzw. 77,6 Prozent nicht einmal die 80 Prozent überspringen konnten.
Foglar will "mit aller Kraft weiterkämpfen, dass die Gewerkschaften einfach den Stellenwert in diesem Land haben, den sie sich wirklich verdienen, und nicht heruntergemacht werden". Vom Wahlergebnis zeigte er sich in seiner Dankesrede "sehr berührt" und "sehr dankbar". "Wir haben gerade bei dem Kongress gezeigt, dass wir die Weichen stellen", so Foglar zum Stellenwert der Gewerkschaften in Österreich. "Wir sind als Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmervertretung die gestaltende Kraft in diesem Europa. Auch wenn die anderen das Geld haben, aber wir haben die Menschen mit Herz und mit Kreativität."
Kämpferischer Leitantrag
Mit großer Mehrheit hat der Kongress einen Leitantrag angenommen, der jede Menge Belastungen für Arbeitgeber und Vermögende vorsieht, den Arbeitnehmern dafür zahlreiche Erleichterungen bringen würde. Die Forderungen gingen von Reichensteuern über die Reduktion von Überstunden bis hin zu einem Mindesteinkommen von 1.500 Euro und einer Anhebung des Arbeitslosengelds. Ebenfalls am Schlusstag abgesegnet wurde eine Statutenänderung, wonach nur noch alle fünf Jahre (bisher vier) Bundeskongresse abgehalten werden, der nächste also erst 2018 steigt.
Einiges zugemutet würde den Arbeitgebern, würden die Vorstellungen der Gewerkschafter umgesetzt. Sie hätten zahlreiche zusätzliche Abgaben zu entrichten, etwa einen Euro pro Überstunde, wobei die Einnahmen daraus zur Hälfte ans Arbeitsmarktservice und ans Gesundheitssystem gehen sollten. Nebenbei wird auch eine Arbeitszeitverkürzung verlangt. Finanzieren sollen die Dienstgeber zudem eine Fachkräfte-Milliarde, die durch einen Beitrag in Höhe von einem Prozent der Bruttolohnsumme zusammenkommen sollte.
Dazu kämen gemäß den Forderungen des ÖGB-Kongresses noch zahlreiche Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmer, beispielsweise Bußen, wenn man zu wenige ältere Arbeitnehmer beschäftigt und "spürbare Sanktionen", wenn Arbeitnehmer vor dem Regelpensionsalter gekündigt werden. Ebenfalls Strafen soll es geben, wenn Arbeitgeber keine gesundheitsfördernden Maßnahmen setzen. Vätern soll ein bezahlter Papa-Monat ermöglicht werden, die sechste Urlaubswoche leichter erreichbar werden.
Wertschöpfungsabgabe
Etabliert werden soll nach gewerkschaftlicher Vorstellung auch eine Wertschöpfungsabgabe, mit der eine langfristige Finanzierung des Familienlastenausgleichs finanziert werden sollte. An steuerlichen Maßnahmen angepeilt werden u.a. eine Reichensteuer ab 700.000 Euro, eine Erbschaftssteuer (zur dauerhaften Finanzierung des Pflegefonds), bei der man im letzten Moment die Höhe des Freibetrags doch offen ließ (ursprünglich war von 150.000 Euro die Rede), und ein Comeback der Börsenumsatzsteuer, bis die Finanztransaktionssteuer umgesetzt ist.
Ein striktes Nein der Gewerkschaft kommt zu Privatisierungen, ganz im Gegenteil soll sich der Staat laut Leitantrag über die ÖIAG verstärkt an Unternehmen beteiligen. Zusätzlich soll es nach Bankenrettungen mit öffentlichen Mitteln auch möglich sein, die Finanzinstitute im öffentlichen Eigentum zu halten.
Im Sozialbereich verlangt der ÖGB ein Verbot der 24-Stunden-Betreuung auf selbstständiger Basis, was von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) im Rahmen des Kongresses aber bereits abgelehnt wurde. Abgeschafft sehen will die Gewerkschaft auch den Angehörigen-Regress im Pflegebereich, der in der Steiermark noch immer zum Einsatz kommt. Entgegen der aktuellen von der ÖVP angeheizten Diskussion wird im Leitantrag gefordert, die Mindestsicherung zu erhöhen. Selbstbehalte im Gesundheitssystem sollen gedeckelt bzw. reduziert werden, Stromabschaltungen im Winter untersagt werden. Noch nicht lange Gewerkschaftsposition ist ein erleichterter Arbeitsmarkt-Zugang für Asylwerber.
Die Neuigkeit bei der Programmdiskussion 2013 war, dass erstmals nur ein Leitantrag eingebracht wurde und die Teilorganisationen mit einer kleineren Ausnahme auf eigene Anträge verzichteten. Früher gab es deren hunderte. Dies machte es freilich den Christ-Gewerkschaftern nicht einfach, dem Leitantrag ihre Zustimmung zu erteilen.
Grund ist die Schulpolitik. Dort wird im Leitantrag explizit die gemeinsame Schule der 6- bis 15-Jährigen gefordert, genau das, was die in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst dominierende FCG nicht will. Insofern stimmten die Christgewerkschafter letztlich nur mit der Protokollanmerkung zu, dass sie diese Passage des Leitantrags ablehnen, ebenso die Vermögenssteuern.
(APA, 20.6.2013)