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Vom Opa lerne ich, dass der Fisch immer dreimal schwimmt: Erst im Meer, dann im Olivenöl - aber erst auf dem Teller, damit er beim Grillen nicht austrocknet - und am Ende im Wein, den ich allerdings nur nippen darf.

Dass die Kenntnis der Zubereitung von Essen eine real existierende magische Macht ist, wird mir erst klar, als ich schon dreißig bin und noch immer bei meiner Mutter wohne. Ein Jahr später bin ich ein von einer allzu neurotischen Freundin frisch getrennter, doch leidenschaftlicher und passabler Hobbykoch. Und wohne bei meiner neuen Freundin.

Heute weiß ich, dass mein Drall zu Kochtopf und Pfanne immer schon in mir steckt, bloß dass er spät hinauszukommen beschließt. Eine Ahnung der Neigung zieht sich durch mein Leben, lange bevor ich mit zunehmendem Speichelfluss den "Butt" lese. Davor schon kommen mir Hungerattacken bei der Lektüre von "Asterix". Davor bei der Beschreibung von Kapitän Nemos Abendtafel und noch früher, wenn mein Opa Feuer macht, um Fisch zu grillen.

Mann, Feuer, Fleisch

"Geh da raus, töte irgendwas und bring es nach Hause!" Unser mächtiger Vorfahr aller Männer, der höhlenbewohnende Mann, setzt diesen Befehl seiner Frau in die Tat um, weil er stark genug und dumm genug ist, es zu können. Seitdem ist rohes Fleisch über einem Feuer so etwas wie ein Männerfetisch. Und Männer, die ums Feuer und Fleisch rumtun, sind dabei so glücklich (und so drauf) wie kleine Kinder.

Wenn mein Opa in Sutivan den nächsten Tag zum Tag des Grillens bestimmt, sagt er immer am Ende seiner Proklamation zu mir: "Und du, 'Garifule', bist mein Grill-Adjutant!" Damals glaube ich, dass ein Adjutant so etwas ist wie ein General. Am nächsten Morgen gehe ich mit dem Opa zum Fischmarkt im Hafen von Sutivan oder zum Fleischer gleich daneben. Bei den Fischen zeigt mir der Opa, wie man an den Kiemen erkennt, ob der Fisch eh erst letzte Nacht im Netz von Ivo zappelt.

Später bauen wir die Feuerstelle im Schatten der großen Pinie vor dem Haus auf. Streng nach pyrotechnischem Bedürfnis: erst zerknülltes Zeitungspapier, einige Pinienzapfen, trockene Zweige, abgelegene Pinienäste, pyramidenförmig aufgebaut. Durch eine Lücke in den Ästen darf ich dann das Innere dieses Minischeiterhaufens entzünden.

Vom Opa lerne ich, dass der Fisch immer dreimal schwimmt. Erst im Meer, dann im Olivenöl - aber erst auf dem Teller, damit er beim Grillen nicht austrocknet! Am Ende schwimmt der Fisch im Wein, den ich allerdings nur nippen darf. Cholesterin ist damals nur den Wissenschaftsfuzzis bekannt, wir Normalsterblichen betrachten ihn als Freund. Opa sucht immer besonders gut durchzogene Koteletts aus und würzt sie nur mit Salz und Pfeffer und einem Schuss Olivenöl. Auch erst im Teller.

Huhn à la Buzara oder Wie ich Höhlenmann werde

Meinem und aller Männer Urvater komme ich während des Kroatien-Krieges am nächsten. Böse Serben drohen mit der Sprengung der Staumauer von Peruča und drehen halb Dalmatien den Strom ab. Wodurch unser Haus zur Höhle wird. Nachts gebrauche ich wieder die alte Petroleumlampe, die zuletzt bei den Stromabschaltungen Anfang der 80er mein Zimmer erhellt. Butangas in Flaschen ist Mangelware, also koche ich vom Morgenkaffee bis zum Abendessen alles auf offenem Feuer, da, wo einst der Opa mich zu seinem Grill-Adjutanten macht.

Das Rezept des Höhlenbewohners: Huhn zerteilen. Stücke mit Rosmarin und Öl einreiben dann auf Glut grillen. Viel Knoblauch und Petersilie, etwas Olivenöl in einen Topf geben, den Topf in die Glut stellen, die gegrillten Hühnerstücke dazugeben. Wenn es zischt, mit Weißwein ablöschen, deckeln, kurz stark erhitzen (bis es ordentlich dampft und den Deckel herausheben möcht). Dann von der Glut nehmen, knapp daneben ablegen und gedeckelt zwanzig Minuten ziehen lassen. Mit Brot, Rotwein und Salat nach Wunsch servieren.

Ungeheuer des Meeres

Der obige Zwischentitel ist meine Metapher für Essen, das aus Meerestieren besteht. Eine andere lautet: Tiere mit Flossen, Tentakeln, Zangen oder Schalen. Wir alle wissen, dass Muscheln so etwas wie Kläranlagen sind und dass alle Zangentiere Aasfresser sind. Doch sie schmecken so scheißgeil!

Ein Brodet oder, wie man hier sagt, Brudet oder auch Brujet ist das edelste Lebensziel von Fischen in Dalmatien. Einfach alle Gemüsereste auf gerösteten Zwiebeln und Chili nach Ablöschen mit Wein dünsten, bis es von selbst eindickt. Dann zwei, drei verschiedene Fischsorten noch so lange mitdünsten, bis das Fleisch leicht von den Gräten fällt. Köpfe, Flossen und so viel an großen Gräten entfernen, wie es geht. Dann sehr vorsichtig mit Brot und Wein (rot so gut wie weiß) essen. Erstickungsgefahr!

Die Fische, die man heute auf dem Markt in Supetar kaufen kann, kommen immer öfter aus den Zuchtkäfigen in der Meerenge zwischen Brač und Šolta. Sie schmecken gut, und mehr will ich nicht wissen. Außerdem sind sie nach Größe sortiert, so dass sie auch alle gleichzeitig gar sind. Super! Manchmal jedoch kommt Pere, der Mann meiner guten Freundin Sandra, mit seinem Morgenfang vorbei. Und Pere fängt nur Sorten, die nicht gezüchtet werden, sondern die schon die alten Stivanjani grillen und in Bevanda ertränken. Cipli gegrillt: ein Fest!

Es war einmal …

Heute kaufe ich Tageszeitungen und Zigaretten hier, wo mein Opa damals den toten Fischen sorgfältig seine Kiemenparade abnimmt. Die zwei, drei Fischer von Sutivan, die noch selbst "in die Fische gehen", versammeln sich ein paar Meter weiter, bei den Steintresen, die die Gemeinde Sutivan in glücklicheren Tagen für sie aufstellt. Nun sehen sie wie Indianer im Reservat aus, wenn sie ihren Fang in unregelmäßigen Abständen frühmorgens verkaufen.

Früher ist das die Zeit, zu der ich aus der Disco wanke. Heute stehe ich absichtlich um sechs Uhr auf, damit ich bis halb sieben im Indianerreservat ankomme. Die Frauen der Eingeborenen sind noch vor mir da, sehen Kiemen und Augen durch, riechen am Fisch und erzählen einander, was sie zu Mittag damit kochen werden. Ich höre zu, schreibe manchmal Notizen.

Mutter, wieder einmal ...

Wie im Bilderbuch ist es meine Mutter, die mir das meiste über Kochen beibringt. Als Zauberlehrling rufe ich sie oft an und frage, was ich wissen will. Die andere Quelle sind halt andere Mütter und Ehefrauen, die ich im Supermarkt einfach frage, was und wie sie heute zu Mittag kochen.

Ich koche am liebsten mit meinem Kumpel Felix. Obwohl er manchmal eigenartig religiös auf Verstöße gegen die "reine Lehre" reagiert, ist er ein bestens informierter, organisierter und talentierter Koch. Dass er manchmal etwas zu lang die Messer schleift und ihnen dabei etwas zuflüstert, pflege ich mit einem Bier hinunterzuspülen. Am End' hab' ich superscharfe Messer. (Bogumil Balkansky, daStandard.at, 21.6.2013)