Die Reaktion war eindeutig. "The Fed was more hawkish than we expected", gibt der Goldman-Chefvolkswirt Jan Hatzius freimütig in einer Analyse für Kunden zu. Die Falken in der Fed hätten sich durchgesetzt und ein klares Signal gesetzt, dass es heute in einem Jahr bereits mit dem milliardenschweren Anleihen-Ankaufprogramm QE3 vorbei sein könnte.

Doch was wäre so schlecht daran, wenn die US-Notenbank nach vier Jahren im Krisenmodus endlich zurückführt und die Politik normalisiert? Wenn die Einschätzung der Fed stimmt, dass der Aufschwung selbsttragend ist, eigentlich nichts. Doch viele Analysten sind negativ eingestellt: "Es werden nun einige schwierige Wochen für Kapitalmärkte, gerade wenn die kommenden Wirtschaftsdaten besser ausfallen", warnt etwa Jim Reid von der Deutschen Bank. Hier wird die paradoxe Sicht der Finanzmärkte deutlich: Gute Wirtschaftsdaten sind schlecht für die Märkte? Geht es der Wirtschaft gut, geht es den Märkten schlecht? Weil die US-Notenbank die Märkte mit lockerer Geldpolitik vor sich hergetrieben hat, könnte genau diese paradoxe Situation Wirklichkeit werden.

An den Finanzmärkten hat die Aussicht auf eine straffere Geldpolitik einer Reihe von Anlageklassen massiv geschadet. Die Preise von Gold und Silber sind von der neuen geldpolitischen Gravitation zu Boden gerissen worden, zeitweise ist die Feinunze Gold unter die Marke von 1300 Dollar gefallen, um 5,5 Porzent. Auch die Aktienmärkte, die zuletzt neue Rekordhöchststände erreicht hatten erlebten herbe Verluste. Und die Anleihenmärkte, traditionell die gewichtigsten Finanzmärkte haben ihren seit sechs Wochen erlebten Abverkauf fortgesetzt. Die 30-jährige Staatsanleihe in den USA hat nun eine Rendite von 3,4 Prozent statt von 2,8 Prozent Anfang Mai. Seit damals ist das Papier um 15 Prozent im Wert gefallen.

Besonders verschreckt sind die Finanzmärkte wegen der folgenden Aussage von Bernanke:

"the Committee currently anticipates that it would be appropriate to moderate the monthly pace of purchases later this year; and if the subsequent data remain broadly aligned with our current expectations for the economy, we would continue to reduce the pace of purchases in measured steps through the first half of next year, ending purchases around midyear."

Ab dem nächsten Sommer soll es also keine weiteren Anleihenkäufe mehr geben. Der Unterschied in dieser Politik wäre signifikant. Aktuell kauft die US-Fed 40 Milliarden Dollar an verbrieften Immobilienkrediten (MBS) und 45 Milliarden Dollar an US-Staatsanleihen im Monat.

Doch Bernanke wäre kein Notenbanker, hätte er seine Aussagen nicht mit technischen Einschränkungen versehen. Siebenmal sagte er in seiner Rede "wenn". Denn nur wenn die Arbeitslosigkeit weiter zurückgeht, auf unter sieben Prozent, wenn die Konjunktur weiter stabil bleibt und die US-Wirtschaft mit ungefähr 2,5 Prozent wächst und wenn es in den nächsten Quartalen keine Erschütterungen auf den Finanzmärkten gibt, nur dann werde die Fed die Anleihenkäufe stoppen. Binyamin Appelbaum von der "New York Times" hat schön zusammengefasst, auf welche Wachstumssignale die Fed wartet, ehe sie wirklich weniger Anleihen kauft oder sogar die Zinsen erhöht.

Aber die Fed hat am Mittwoch nichts an ihrer grundlegenden Haltung geändert. Nach wie vor rechnen 15 der 19 Governors der mächtigsten Notenbank, dass die Zinsen bis 2015 extrem niedrig bleiben werden (siehe Projektionen der Notenbanker). Bernanke selbst betonte immer, dass die Fed weiter die Immobilien- und Aktienmärkte stützen möchte. Doch wie der Geldpolitik-Experte William White im STANDARD-Interview kritisiert, haben die Anleihenkäufe keinen Wohlstand, sondern lediglich Blasen an den Finanzmärkten geschaffen. Vom Wohlstandseffekt – steigende Kapitalmärkte fördern die Stimmung und kurbeln damit den Konsum und die Wirtschaft an – bleibe nichts übrig, klagt White. Dann wäre aber auch der Sinn von QE – abgesehen von der Unterstützung der Finanzmärkte – recht bescheiden. (Lukas Sustala, derStandard.at, 20.6.2013)