Zum 75. Geburtstag von Pianist, Dirigent und Komponist Dieter Glawischnig gibt es vermutlich mehr als nur Kernobst.

Foto: Dieter Glawischnig

Graz/Heiligenkreuz - Als Jugendlicher legte er die 100 Meter ohne Training in elf Sekunden zurück. Ob aus Dieter Glawischnig ein großer Leichtathlet geworden wäre, wird man indessen nie erfahren. Allen sportlichen Ambitionen kam nämlich schon früh die Infektion mit dem Musikvirus in die Quere: Glawischnig, Jahrgang 1938, lernte Trompete und Posaune, studierte Klavier an der Grazer Musikakademie, zudem Musikwissenschaft.

Vor allem der Jazz hatte es ihm dabei angetan: Inspiriert von Ornette Coleman, experimentierte er schon Ende der 1950er-Jahre gemeinsam mit Bassist Ewald Oberleitner mit freier Improvisation, was einige Jahre später zur Praxis eines "motivisch und formal gebundenen Free Jazz" führte. 1974 mündeten jene Experimente in das Trio Neighbours, das unter anderem durch LP-Einspielungen mit den beiden Chicagoer Saxofonisten- Koryphäen Anthony Braxton und Fred Anderson international bekannt wurde.

Bereits 1965 war Glawischnig auch an der frühen universitären Verankerung des Jazz in Graz beteiligt, von 1971 bis 1975 fungierte er als Leiter der Jazzabteilung an der damaligen Musikhochschule.

1980 ereilte ihn der Ruf nach Hamburg: Dieter Glawischnig fungierte rund ein Vierteljahrhundert als Leiter der NDR-Bigband, die sich unter seiner Ägide vom dienstbaren "Tanz- und Unterhaltungsorchester" zum modernen Solisten-Klangkörper wandelte. Zudem richtete er an der dortigen Musikhochschule einen "Studiengang für Jazz und jazzverwandte Musik" ein. Angehörs des Umstands, dass manch ambitionierter Student in seinen Improvisationen vor allem die antrainierten Skalen und Etüden rezitierte, anstatt eigene Ansätze zu verfolgen, gab er gerne den augenzwinkernd gemeinten Rat: "Nicht zu viel üben!"

Seit seiner Rückkehr nach Graz musiziert Dieter Glawischnig, der zudem durch seine langjährige Zusammenarbeit mit Ernst Jandl Geschichte schrieb, mitunter auch gerne mit Sohn Hans Glawischnig, der sich in der New Yorker Szene längst als unter anderem von Chick Corea und Miguel Zenon nachgefragter Bassist etabliert hat.

Gemeinsam mit prominenten Veteranen der europäischen Improvisationsszene - Schlagzeuger Vladimir Tarasov, Posaunist Conny Bauer und Saxofonist Gerd Dudek, um nur einige zu nennen - und mit der Gypsy-Brass-Band Karandila als skurrilem Überraschungsgast wird Sohn Hans Glawischnig am Samstag auch das Festkonzert zum 75. Geburtstag des Vaters im südburgenländischen Heiligenkreuz schmücken. Ein Hoch auf das Multitalent Dieter Glawischnig!  (Andreas Felber, DER STANDARD, 21.6.2013)