
Als Edmont Dantés omnipräsent: Denis Petkovic als Graf von Monte Christo.
Melk - Im Donaustädtchen Melk ist die Natur eingerahmt. Alexander Hauer, Intendant der Sommerspiele Melk, dankte zur Premiere des diesjährigen Stücks Monte Christo den vielen Helfern, die in den letzten 14 Tagen 800 Tonnen Schlamm wegschafften und den Zeltbau der Wachauarena auf trockenen Boden stellten, um Theater spielen zu können. Hauer ist auch der Regisseur, der den Historienwälzer Der Graf von Monte Christo in einer dramatischen Bearbeitung von Susanne F. Wolf auf eine imposante, gleichzeitig karge Bühne hievte und dafür vom Publikum mit frenetischem Applaus bedacht wurde.
Bühnenbildner Daniel Sommergruber hat ein riesiges Gerüst aus wild zusammengeschraubten Tür-, Fenster- und Bilderrahmen hingestellt; die Öffnung des Raums nach hinten gibt den Blick auf das Stift Melk frei. Die Vanitas-Glocken des Barockbaus läuten immer wieder drohend herüber, die Vergänglichkeit des Daseins angesichts tödlicher Intrige, Neid und Rache ist beklemmend.
Alexandre Dumas' Abenteuerroman umfasst den Zeitraum von 1814 bis 1838 vor dem Hintergrund politischer Wirren und tiefer Veränderungen nach der Französischen Revolution. Wolfs Version hält sich an den Aufbau, bleibt in der Sprache teils altmodisch - natürlich siezen sich adlige Familienmitglieder -, teils spielt sie mit Pathos und Phrase oder lässt Andeutungen zum Heute zu, etwa wenn es um Politik, Bank, Justiz geht.
Liebe und Neid
Keine Schenkelklopfergefahr: Man versucht gar nicht, irgendwas auf lustig zu trimmen. Etwa eine halbe Stunde (von insgesamt drei) benötigt das Ensemble, um auf Touren zu kommen, dann entsteht trotz langer Konversationspassagen und komplexer Handlungsstränge eine Dynamik im Spiel, die für einen sehenswerten Abend im wechselnden Licht (Dietrich Körner) sorgte.
Verantwortlich ist hierfür der omnipräsente Denis Petkovic als Edmont Dantés, dessen Liebesglück und Karriere Neider zerstören und der nach jahrelanger unschuldiger Kerkerhaft als Graf von Monte Christo und Auserwählter Gottes nach Rache dürstet. Ihm stehen der schmierige Zahlmeister Monsieur Danglars (Julian Loidl), der hinterhältige Gérard de Villefort (Giuseppe Rizzo) und der widerwärtige Fernand de Morcerf (Rainer Doppler) gegenüber. Sonja Romei gibt eine stolze Mercédès, Christian Preuss vermag in drei Rollen zu reüssieren. Den Sound setzte effektvoll Bernhard Sodek.
Einem romantischen Gedanken folgend, spiegelt die Natur innermenschliche Vorgänge wider. Am Ende liegen, leichengepflastert, die zerstörten Verhältnisse frei, als wäre ein Hochwasser darübergerast. Des Grafen Einsicht kommt zu spät, dass maßlose Rache zu noch größerem Unglück führt. (Sebastian Gilli, DER STANDARD, 21.6.2013)