Es ist sicher nicht die einzige, aber die derzeit auffälligste Gemeinsamkeit von Michael Spindelegger und H.-C. Strache: Beide reklamieren den Glanz, mit dem Werner Faymann das Amt eines österreichischen Bundeskanzlers während der letzten fünf Jahre patiniert hat, in nächster Zukunft für sich. Nur einer von den beiden könnte gewinnen, Frustration ist also vorprogrammiert - kann sein, bei beiden. Bei Strache wird sie gewiss leichter ausfallen, er meint es ja nicht wirklich so. Da ist der Druck, der auf Spindelegger lastet, schon größer, und er hat nicht versäumt, die Öffentlichkeit diese Woche von seinem Arbeitsleid zu informieren. Unter einem Bundeskanzler müsse er - entsetzt! - den Vize geben, der unfähig sei, den Job auszuüben, klagte er und reklamierte sich ohne überzeugenden Nachweis einer besseren Befähigung für die nächste Legislaturperiode ins Kanzleramt.

Spindelegger hätte sich vor der Nation als Mann profilieren können, hätte er diese Aussage nicht in der kuscheligen Runde christlicher Gewerkschafter getan, sondern Stehpult an Stehpult mit Faymann nach einem Ministerrat, wo er gewöhnlich nicht zögert, Arm in Arm mit dem Mann, den er für "fehl am Platz" hält, sogar die Uno, und wenn es sein muss, auch gleich den Rest der Welt herauszufordern. Hat er schon immer um die Unfähigkeit des Regierungschefs gewusst, und hätte er dann die Koalition mit diesem nicht längst aufkündigen müssen? Oder ist ihm die Erkenntnis erst eingeschossen, als er sich schützend vor die Lehrergewerkschaft werfen wollte, die sich ob Faymanns Andeutung, im Fall fortdauernder Blockade könnte die Regierung einmal auch regieren, gekränkt fühlte? Das wäre jedenfalls der falsche Anlass gewesen, denn nicht einmal Fritz Neugebauer fürchtet, Faymann könnte das ernst gemeint haben.

Vom "Jahr der ÖVP", das Spindelegger etwas vorlaut ausgerufen hat, ist die Hälfte um und war bisher nicht viel zu merken. Persönliche Gehässigkeiten als Einleitung in den Wahlkampf deuten da eher auf mangelndes Vertrauen in die Überzeugungskraft des eigenen Programms hin. Darüber hinaus wirkt der Vizekanzler einer Partei nicht rasend glaubwürdig, deren Verschleiß an Obmännern und Vizekanzlern in nur wenigen Jahren nicht eben von deren ausgeprägter Befähigung zum Amt zeugt. Auch Spindelegger wurde bisher weder in den eigenen Reihen noch sonst wo Genialität im Amt bezeugt. So begreiflich seine Angst ist, sollte es doch kein "Jahr der ÖVP" werden, seinen Vorgängern demnächst zu folgen, so wenig ist sie ein guter Ratgeber.

Dabei könnte man durchaus einiges zu Faymann anmerken, wenn das auch kaum aus dem Mund eines ÖVP-Politikers zu erwarten ist. So etwa, ob er, falls weiterhin Kanzler, daran denkt, für den Glanz der Kanzlerschaft wichtige Ressorts, nur beispielhaft Finanzen, Justiz und Innen, neuerlich einem schwächeren Partner zu überlassen, in der Hoffnung, die Gunst des Boulevards könnte diesen Verzicht spielend ausgleichen. Das hat sich als Illusion erwiesen. Vor allem die Trennung von Kanzler und Finanzminister ist ein Fehler, egal in welcher Konstellation. Mit Antworten darauf ist vor den Wahlen leider nicht zu rechnen. (Günter Traxler, DER STANDARD, 21.6.2013)