Muss man Rücksicht nehmen? Die fünf internationalen Juroren beim jährlichen Birofilia-Wettbewerb fragten lieber noch einmal nach: Dürfen wir wirklich frei entscheiden, dürfen wir ohne Bedenken jenes Bier zum "Grand Champion" wählen, das wir für das gelungenste Beispiel seiner Art halten? Das ist insofern keine triviale Frage, weil der Gewinn des Preises bedeutet, dass das Champion-Bier aus dem Heimbrauer-Wettbewerb dann in ganz großem Maßstab gebraut wird.
Das, beschied der Veranstalter den zweifelnden Juroren am vergangenen Samstag in Zywiec, also das Nachbauen des Sudes, sollten wir ruhig die Sorge der Bauerei sein lassen. Also bitte: Da standen acht Biere sehr verschiedenen Stils vor der Jury - die jeweiligen Kategoriesieger von "Low Alcohol Lager" über Altbier, Dunkelweizen und Robust Porter bis zu dunklem Bock osteuropäischer Prägung und Imperial IPA.
Harziger und zitrusfruchtartiger Duft
Alle von sehr guter, wenn nicht hervorragender Qualität - in mehreren Vorrunden selektiert aus insgesamt 432 Einreichungen polnischer Hobbybrauer. Das beste Bier - also dasjenige, das seinen Stil noch besser repräsentiert als die anderen ihren - sollte zum Grand Champion gewählt werden. Im Herbst sollen dann 800 Hektoliter vom professionellen Braumeister Dominik Szcordry in der zur Zywiec-Brauereigruppe gehörenden Brauerei von Cieszyn nachgebraut werden. Den Juroren gefiel dann das Imperial India Pale Ale nach dem Rezept von Czeslaw Dzielak, einem Sportlehrer aus Wyludki bei Bialystok, am besten.
Mit seinen rund acht Prozent Alkohol, seinem intensiv harzigen und gleichzeitig zitrusfruchtartigen Duft, dem wuchtigen Körper und der die harsche Bittere balancierenden Süße ist das Imperial India Pale Ale zweifellos ein sensationelles Bier, ein Bier für Kenner. Aber 800 Hektoliter davon, ist das nicht ein bisschen sehr mutig? Nun ja: Das ist jetzt eben die Sorge der Brauerei, die jedes Jahr den Hobbybrauer-Preis auslobt - und schon ein belgisches Ale, ein rheinisches Ale und einen Rauchbock als Preis für den jeweils gewählten polnischen Heimbrauer-Champion gebraut hat. Dieses Jahr wird es aus zwei Gründen besonders aufwändig: Czeslaw Dzielak hat rare (und entsprechend teure) amerikanische Hopfensorten für sein Rezept gewählt - und das extreme Bier muss auch seine Käufer finden - vielleicht auch außerhalb Polens. (Conrad Seidl, Rondo, DER STANDARD, 21.6.2013)