Auf Nudeln und andere Kohlenhydrate gänzlich zu verzichten, fällt vielen Menschen schwer.

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Wien - Krebs ist mit Essen nicht heilbar, kann aber den Körper im Kampf gegen die Krankheit unterstützen. Ernährungsexperten setzen dabei auch auf ketogene Ernährung, eine kohlenhydratreduzierte Ernährungsform. Viele Grundnahrungsmittel enthalten einen hohen Anteil an verwertbaren Kohlenhydraten, die bei der Verstoffwechselung rasch Glukose freisetzen. Und das ist der Punkt: Denn Krebszellen brauchen enorm viel Zucker, gibt man ihnen aber keinen mehr, verlieren sie ihre Lebensgrundlage. Das Universitätsklinikum Würzburg hat sogar eine Broschüre zu diesem Thema herausgebracht.

Ketogene Ernährung wird bereits bei Epilepsien bei Kindern eingesetzt. Vereinzelte Beobachtungen gaben Anlass zur Hoffnung, dass ketogene Diät auch das Fortschreiten einer Tumorerkrankung aufhalten beziehungsweise verlangsamen könnte. Wie die Würzburger Wissenschafter erläuterten, könnte diese Ernährungsform auch Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Übelkeit, Gewichtsverlust und den damit verbundenen Verlust von Muskelmasse reduzieren.

Hungrige Krebszelle

Krebszellen sind gefräßig und besitzen viel mehr Insulinrezeptoren, als gesunde Zellen. "Eine gesunde Zelle hat eine, eine kranke 30 Insulinrezeptoren", erklärte die Tiroler Diätologin Daniela Pfeifer. Viele Krebszellen können einen Großteil ihrer Energie nicht wie gesunde Zellen aus der Zellatmung und dem Abbau von Fetten durch die übliche Verbrennung gewinnen, sondern brauchen Glucose als Energielieferanten. Wird Tumorzellen der Zucker komplett entzogen, so wird ihre Wachstumsfähigkeit eingeschränkt.

Hinzu kommt, dass bei der Vergärung von Glukose massiv Milchsäure anfällt, die einerseits die Krebszelle schützt und andererseits angrenzende gesunde Zellen schwächt, erklärte Pfeifer. So wird es den Tumorzellen erleichtert, in das umliegende, gesunde Gewebe einzudringen. Mit diesen Überlegungen hat die Tiroler Ernährungsexpertin, die viele Krebspatienten zu ihrer Klientel zählt, neue Überlegungen angestrebt: "Bisher dachte ich, dass das Eiweiß für die Patienten wichtiger ist, damit sie nicht an Kraft verlieren, aber dass die Reduktion der Kohlenhydrate eine so wichtige Rolle spielt, war mir nicht klar."

Kohlenhydrate reduzieren

Denn der Einfachzucker kommt praktisch überall vor, in Getreide, Nudeln, Reis, Erdäpfel oder Obst. "Ich habe versucht, in Zukunft bei den Empfehlungen die Kohlenhydratmengen soweit zu reduzieren, dass es für den Patienten noch lebbar ist", erzählte Pfeifer. Die Würzburger Klinik empfahl gar 50 Gramm Kohlenhydrate pro Tag, damit die gesunden Zellen auf die Verwertung von Fettsäuren und Ketonkörpern umstellt und der Körper den Stoffwechselzustand Ketose erreicht. Denn dann ist der Hauptlieferant für die Zellen nicht mehr die Glukose, sondern Fettsäuren und Ketonkörper.

Wie wichtig den Krebszellen die Glukose ist, zeigt auch die Krebsdiagnose mittels PET-Scan (Positronen-Emissions-Tomographie): Für einen PET-Scan wird radioaktive Glukose in den Körper injiziert. Krebszellen absorbieren Glukose in der Regel viel schneller als normale Zellen, sodass sie im PET-Scan aufleuchten. "80 Prozent der Krebsarten reagieren auf Glukose", so Pfeifer.

Krebs aushungern

Betroffene, denen eine ketogene Ernährungsform empfohlen wird, reagieren unterschiedlich. Ein Leben ohne Zucker, Nudeln, Reis oder Erdäpfeln scheint für viele schwierig. "Ernährung ist was äußerst Privates. Es ist schwierig, wenn sich jemand nicht für Ernährung interessiert, und dann will man ihm etwas Strenges wie eine Kohlenhydratreduktion nahe bringen", meinte Pfeifer. "Die einen reduzieren die Kohlenhydrate, streichen sie aber nicht, andere steigen gleich auf ketogene Ernährung um und hungern damit den Krebs aus." Nach Angaben der Diätologin dauert die Umstellung 14 Tage bis vier Wochen, bis es dem Betroffenen nicht mehr schwer fällt. Für Fast-Food-Junkies und Süßigkeitenfans ist die Umstellung allerdings ebenso schwer, wie für ältere Menschen.

Die Expertin hat vieles auch in Eigenregie getestet, um kohlenhydratarme Speisen zu kreieren. "Zuerst hab ich meinen Nüchternblutzucker gemessen, dann gekocht, gegessen und wieder gemessen und geschaut, wie weit der Blutzucker hochfährt", so Pfeifer. "Es ist eine spannende Sache, wie unterschiedlich der Blutzuckerspiegel der Menschen reagiert, wenn sie etwa einen Schokoriegel oder einen Apfel essen." Während der eine mit dem Genuss eines Apfels wieder aus der Ketose fällt, ist dies für einen anderen völlig unbedenklich. (APA, red, derSTandard.at, 21.6.2013)