Leipzig/Wien - Im Oktober jährt sich die Völkerschlacht von Leipzig zum 200. Mal, das in ihrem Gedenken in Leipzig errichtete Völkerschlachtdenkmal wird 100 Jahre alt. 1813 hatten Preußen, Österreicher und Russen gegen das französische Heer unter Napoleon gekämpft, es eingekesselt und in einer Schlacht besiegt, in der 92.000 Soldaten ihr Leben verloren.

Anlässlich des kommenden Jahrestags rücken die damaligen Ereignisse nun wieder in den Fokus. Der Salzburger Militärhistoriker und Bundesheer-Offizier Kurt Mitterer fordert nun auf Basis neu aufgefundener Dokumente, dass die damalige Rolle Österreichs neu bewertet werde müsse. Das deshalb, weil die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts die Handschrift Preußens trage und bis heute unverändert übernommen worden sei. Mitterer kuratiert eine ab Herbst geöffnete Ausstellung über "Die Österreicher in der Völkerschlacht" im Schloss Markkleeberg in Leipzig.

Der Trachtenberger Kriegsplan

Mitterer ist kürzlich in den Besitz des möglicherweise letzten Exemplars des sogenannten Trachenberger Kriegsplans gelangt. Es stammt aus dem Nachlass der Familie von Oberst Latour, der im Generalstab von Feldmarschall Radetzky gearbeitet hatte. Radetzky sei aber der geistige Vater der Strategie gegen Napoleon, sagt Mitterer: "Tatsache ist, dass der im Sterben liegende preußische General Scharnhorst Radetzky aufgefordert hat: Bleiben Sie dabei, Sie haben recht, und nur so, mit diesem Plan, gemeinsam, kann der Feldzug gegen Napoleon gewonnen werden."

Der Trachenberger Kriegsplan sah als operative Idee vor, Napoleons Truppen ihre Beweglichkeit zu nehmen: Jeweils nur eine Armee sollte die französischen Truppen auf sich ziehen, während die anderen Armeen im Hintergrund Versorgungs- und Verbindungslinien abschnitten. Napoleon habe von dem Plan zwar erfahren, ihn aber nicht ernstgenommen.

"Heruntergespielt"

Mit 250.000 Mann hätten die Österreicher als sogenannte "böhmische Truppen" das größte Kontingent gestellt, so Mitterer. Dass dies bis heute zu wenig beachtet würde, liegt für ihn in der politischen Entwicklung: "Nach der napoleonischen Ära, im Zuge der Lösung der deutschen Frage, ist die Rolle Österreichs einfach vergessen oder heruntergespielt worden. Das schlägt sich in der Forschung eigentlich bis heute durch." Zwar werde nicht verfälscht, aber der tatsächliche Beitrag Österreichs komme in den deutschen Quellen nur selten vor. Die historische Deutung der Völkerschlacht habe jedenfalls Preußen übernommen, das in jener Zeit bestrebt war, die Vorherrschaft in Deutschland zu gewinnen und abzusichern.

Dass die einst preußische Geschichtsschreibung in diesem Punkt korrigiert werden müsse, wird in Deutschland durchaus zugegeben. Ohne Beteiligung der Österreicher wäre die Völkerschlacht mit Sicherheit anders ausgegangen, sagt der Leiter des Völkerschlachtdenkmals, Steffen Poser. "Es war 150 Jahre lang immer die preußische Sicht der Dinge gewesen, die dann zur deutschen Sicht wurde."

Dass auf dem Völkerschlachtdenkmal nicht alle Verbündeten ausreichend gewürdigt würden, habe allerdings nur indirekt mit dem Herunterspielen des österreichischen Beitrags zu tun, sagt Poser. Das Denkmal sei als deutsches Denkmal konzipiert gewesen, als kleindeutsches Nationaldenkmal und Ausdruck des deutschen Einigungsprozesses. Deshalb sei eine österreichische Beteiligung damals ausdrücklich abgelehnt worden. Österreicher und Russen hätten daraufhin eigene Erinnerungsstätten im Raum Leipzig geschaffen.

Österreichische Ausstellung

In diesem Jahr wird Österreich allerdings mit einer eigenen Schau zur Völkerschlacht in Leipzig vertreten sein: Zwischen 28. September 2013 und 31. Mai 2014 ist in einer vom Salzburger Wehrgeschichtlichen Museum vorbereitete Sonderausstellung im Schloss und Torhaus Markkleeberg der Kampf um Europa aus österreichischer Sicht im Schloss Markkleeberg in Leipzig zu sehen. (APA/red, derStandard.at, 21. 6. 2013)