Ernest Hemingways Der alte Mann und das Meer ist recht romantisch. Vielleicht sogar zu romantisierend, um das Verhältnis zwischen Mensch und Ozean adäquat zu beschreiben: Da erlebt ein Fischer die leidvolle Bruderschaft mit dem von ihm getöteten Marlin, obwohl eigentlich alles mit einem gierigen Blick begann: Als der spanische Entdecker Vasco Núñez de Balboa 1513 als Erster aus der Alten Welt den Pazifik sah, dachte er an Perlen und Gold. Er wollte dabei bekanntlich alleine sein. Bestimmt, um den Nimbus des Entdeckers eines Weltmeeres später nicht teilen zu müssen - vielmehr aber noch, um die Schätze "seines Südmeers" ganz für sich zu haben.

Eine recht ähnliche Hemingway-Lesart stellt auch der französische Fotograf und Umweltaktivist Yann Arthus-Bertrand seinem neuen Bildband Der Mensch und die Weltmeere voran. Weil er und seine Stiftung Good Planet die Urbarmachung der Ozeane ja stets als die reine Ausbeutung bezeichnen.

Umso erstaunlicher ist es, auf welche Weise Arthus-Bertrand darin belehrt: Im fotografischen Dialog mit dem US-Amerikaner Brian Skerry zeigt er nur Meeresansichten von erhabener Schönheit - er selbst (wie gewohnt) in kunstvoller Vogelschau und Skerry aus der Unterwasserperspektive. Dabei eröffnet die direkte Gegenüberstellung beider Blickwinkel tatsächlich unterschiedliche Regungen beim Betrachter: Wer von einem Blauwal als Landei wie Arthus-Bertrand normalerweise nur die Schwanzflosse abtauchen sieht, dem Säuger dann aber wie Skerry auf dem Meeresboden gegenübertritt, wird sich fragen: Können wir neben solcher Größe überhaupt je bestehen?

Sachdienliche Hinweise für ein Meer der Fragen kommen im Buch aber auch von vielen Co-Autoren wie etwa dem ehemaligen französischen Premierminister und Forscher Michel Rocard: Sollten die Weltmeere bald ihren Dienst als globale Klimaanlage versagen, ist der Ofen wohl auch an Land aus, so seine These. Und der Ozeanloge Charles Moore beschreibt darin, welche Entdeckungen 500 Jahre nach Balboa noch möglich sind: Moore sah als Erster den pazifischen Plastikkontinent, eine 3,4 Millionen Quadratkilometer große Müllinsel. (Sascha Aumüller, DER STANDARD, Rondo, 21.6.2013)

Foto: Brian Skerry
Foto: Arthus-Bertrand
Foto: Brian Skerry
Foto: Brian Skerry
Foto: Arthus-Bertrand
Foto: Brian Skerry
Foto: Arthus-Bertrand
Foto: Brian Skerry
Foto: Arthus-Bertrand

Yann Arthus-Bertrand, Brian Skerry, Fondation GoodPlanet
"Der Mensch und die Weltmeere"
304 Seiten, 200 farbige Abbildungen,
Euro 41,10, Knesebeck, München 2013

Foto: Arthus-Bertrand/Skerry