Der Nutzen von klaren Compliance-Regeln, also für alle Mitarbeiter niedergeschriebene Verhaltensregeln gegen Korruption und Betrug, erschließe sich sehr schnell, kürzt Martin Walter (Group Compliance Director Telekom-Austria-Gruppe) eine Grundsatzdiskussion zur Compliance ab. Er weiß, wovon er spricht - wurde der Deutsche doch zu Beginn der Korruptionsaffäre zum Aufräumen in den heimischen Telekomkonzern geholt.
Und Walter verbirgt nicht die Mühen der Ebene: Solche Regeln intern zum Leben zu bringen sei ein Prozess, kein einmaliger Akt. Übung fehlt Unternehmen mit dem Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz seit Jahresbeginn auch noch im Umgang mit den Schnittstellen zur Öffentlichkeit, den Medien. Hat das Ende der Gastfreundschaft, der Fachtagungen, begonnen?
Compliance-Spezialist Alexander Petsche (Baker McKenzie) klärt: Einladung zur Sachinformation ist o. k., zum Galadiner als Abschluss nicht - das müssen die Medienunternehmen selber zahlen. Ebenso: Theaterkarten für Rezensenten o. k., für Sportredakteure zum weiterbildenden Pläsier nicht. Blumen zum Dank senden o. k., aber: Egal ob mit einem Euro oder mit 5000 - sich ungebührliche Vorteile zu verschaffen ist Korruption, auch für Private, aktiv oder passiv. Dass die neuen Regeln als Kavaliersdelikt dahinschlummern, das solle man besser nicht annehmen, so Petsche: "Die Staatsanwälte sind gut ausgebildet und wollen Erfolge, das sind keine Wappler."
Begriff auch ein "PR-Gag"
Viktoria Kickinger, vielfache Aufsichtsrätin und Gründerin der Aufsichtsplattform Inara, bezieht sich auf die allgegenwärtigen Phrasen zur Compliance: Der Begriff sei auch ein "PR-Gag", es gehe ja um regelkonformes Verhalten. Sie stehe mit Skepsis zum Thema, sehe vielerorts ein "Überschießen". Die strikte Regelung im Staatsbetrieb ORF hält sie für eine "Übertreibung", weil in einem solch dichten Regelwerk Arbeiten in einem "schnellen" Produkt kaum mehr möglich sei.
Und, so Kickinger: Bestechlichkeit gehe in Medienbetrieben weit über Geld oder Inseratenschaltungen hinaus: "Bist du mir gewogen, dann sorge ich für deine Beförderung" oder "Schreibst du mir etwas Gutes, dann bekommst du dafür Geheiminformationen" bringt sie als mögliche Beispiele.
Klarheit als Schutz gegen Unterstellungen
Dass in den heimischen Medien aber grundsätzlich Nachholbedarf in Compliance-Fragen herrscht, davon sind STANDARD, Presse und Wirtschaftsblatt überzeugt. Nicht um allen Mitarbeitern das Misstrauen auszusprechen - vielmehr geht es um Klarheit als Schutz gegen Unterstellungen. Erster Schritt: Alle drei Medien haben ihre Leitlinien ins Netz gestellt, Artikel werden gekennzeichnet à la "auf Einladung von ...", "Produkt zum Test zur Verfügung gestellt von ...". Auch sollen Journalisten als Aktionäre über "ihre" Firmen nicht berichten.
Damit, so erklärt Engelbert Washietl, Ex-Chefredakteur der Salzburger Nachrichten und nun für den Qualitätsjournalismus und im Ethikrat engagiert, sollen alle heimischen Medien bewogen werden, sich solcher Klarheit zu unterwerfen. Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin und Co-Herausgeberin des STANDARD, hatte monatelang gerungen, alle Medien ins Boot resp. zu veröffentlichten Mindeststandards zu holen. Geblieben sind die drei genannten Zeitungen.
"Frühere Sorglosigkeit ist vorbei"
Wenn die Spielregeln klar sind, könne man vernünftig handeln, sagen sowohl Walter als auch die Chefin der Agentur Ketchum Publico, Saskia Wallner. Dass nicht alle PR-Helfer auf dem Top-Stand der Compliance seien, wurde nicht bestritten. Wallner: "Aber die frühere Sorglosigkeit ist vorbei. Eine Bilanz-Pressekonferenz in Monte Carlo - das ist schon länger ein No-Go." Sie sieht das Selbstbild der ehrlichen Makler in den Agenturen weitgehend durchgedrungen. Dass es um Papiere als Grundlage, im Alltag aber um Haltungen gehe, machte Philosoph Leo Hemetsberger in seiner Keynote zur Fachtagung klar. Und schloss so den Kreis zur Leadership, ihren Aufgaben und ihrer Verantwortung. (Karin Bauer, DER STANDARD, 22./23.6.2013)