Vor kurzem wollten wir uns in einem Lokal am Neusiedler See erfrischen, das Lokal war jedoch voll besetzt, und so mussten wir ein paar Minuten warten, bis ein Tisch frei wurde. Die Freimachenden waren aber niemand anderer als der bekannte Baumeister Richard Lugner und sein Gefolge.
Im Abgehen bot uns Lugner halb scherzhaft, halb im Ernst an, ruhig die in einem Kühler neben dem Tisch dümpelnde Weißweinbouteille auszutrinken. Eine generöse Offerte von Mörtel! Wir verschmähten die Einladung dann aber, weil es uns ein wenig zu nodich vorgekommen wäre, hätten wir uns am Lugner'schen Weinhansl verlustiert.
Der eigentliche Hauptaspekt dieser Geschichte ist nun der, dass Richie Lugner genauso aussieht wie Richie Lugner. Erläuterung dieser scheinbaren Trivialität: Die meisten Promis, welche wir kennen, aus allen Kategorien von A bis Z, kennen wir nicht in natura, sondern aus den Medien, Herrn Lugner etwa aus gefühlt zwei Millionen TV-Beiträgen und Zeitungsartikeln über seine jeweils jüngsten Katzi-, Mausi- und Helmi-Peripetien.
Wir alle tragen nicht nur einen inneren Richie Lugner, sondern auch eine innere Angela Merkel, einen inneren Brad Pitt, einen inneren Hansi Hinterseer etc. mit uns herum und wundern uns dann mächtig, wenn wir im wirklichen Leben zufällig einmal in einen dieser Promis hineinpumpern: weil der Promi irgendwie doch deutlich anders aussieht, als wir ihn uns nach der Medienvorlage ausgemalt hatten.
Ich erinnere mich, wie ich erstmals des deutschen Exkanzlers Gerhard Schröder ansichtig wurde, eines Mannes, den ich mir ob seiner dröhnenden Stimme und seines kantigen Konterfeis stets riesengroß vorgestellt hatte, während der wirkliche Schröder eher klein von Wuchse, also quasi ein Ozwickter ist. Umgekehrt hatte ich mir Helmut Kohl zwar auch immer groß vorgestellt, doch als ich ihn zum ersten Mal sah, da verdatterte er mich durch seine geradezu großglocknerhaft zu nennende Größe, die meine unrealistische Kohlgrößenvorstellung noch um einiges überstieg.
Und was ist die Moral von der Geschicht? Traue deinen inneren Medienpromibildern nicht! Wahrscheinlich schaut ja Werner Faymann, wenn man ihn einmal "in echt" trifft, viel eher aus wie Michael Spindelegger und vice versa. Dass Richie just wie Richie ausschaut, ist nämlich die Ausnahme, nicht die Regel. (Christoph Winder, Album, DER STANDARD, 22./23.6.2013)