Der Star gab sich zuletzt die Ehre: Am Freitag startete der neue Airbus A350 in Le Bourget zu seinem ersten nicht zu Testzwecken unternommenen Flug. Zuvor hatten Fluggesellschaften wie Air France-KLM, Singapore Airlines, United Airlines oder Sri Lankan den Langstreckenjet bei der Pariser Airshow 69-mal bestellt.
Insgesamt erhielt Airbus - ein Konsortium aus Deutschland, Frankreich, Spanien und England - Festaufträge für 241 Flugzeuge. Zusammen mit mehreren hundert Optionen wiegen diese Verträge 108 Milliarden Dollar (81,6 Mrd. Euro). Der US-Konkurrent Boeing verkaufte seinerseits 302 Flugzeuge, die im Durchschnitt aber etwas kleiner und damit billiger sind; mit den Optionen entspricht dies einem Katalogpreis von 104 Milliarden Dollar.
Auch wenn die üblichen Rabatte in Rechnung zu stellen sind, bestätigte Le Bourget die aktuelle Hochkonjunktur der zivilen Luftfahrt. Airlines aus der ganzen Welt legten bei der Flugshow einen regelrechten Heißhunger an den Tag.
Die Hersteller Airbus und Boeing teilen den Markt der Großflugzeuge nach wie vor unter sich auf; die kanadische Bombardier verkaufte an der Pariser Messe zum Beispiel kein einziges Flugzeug seiner CSeries. Dafür strich das Unternehmen Großaufträge bei den Businessjets ein. Die franko-italienische ATR und die brasilianische Embraer verkauften so viele Regionalflugzeuge wie noch nie. Dies wohl auch, weil die Propellertechnik weniger Sprit verbraucht - in Zeiten hoher Kerosinpreise ein starkes Argument für die Fluggesellschaften.
Insgesamt hielt sich Le Bourget heuer auf einem fast gleich hohen Verkaufsniveau wie bei der letzten, rekordhohen Ausgabe vor zwei Jahren. Trotzdem schenkten sich die beiden Platzhirsche Airbus und Boeing nichts. Laut vielen Fachleuten werden in der zivilen Luftfahrt jetzt die Weichen für die nächsten Jahrzehnte gestellt. Boeing setzt mit seinem " Dreamliner" 787 neue Maßstäbe in der leichteren - und damit spritsparenden - Kompositbauweise; Airbus ist aber nicht auf der faulen Haut gelegen und verwendet bei seinem neuen A350, der gut elf Milliarden Euro an Entwicklungskosten verschlang, noch mehr Verbundstoffe aus Kohlenstofffasern.
Fliegende Technologielabors
"Der Dreamliner brachte einen unglaublichen technologischen Umbruch, der dreißig Jahre halten wird", räumte der französische Daussault-Vorsteher Bernard Charlès ein. "Dieses Flugzeug sowie der A350 waren regelrechte Technologielabors, die den künftigen Modellen als Grundlage dienen werden - sowohl bei der Verwendung der Stoffe als auch bei der Fertigung. Heute setzt man Flugzeuge zusammen, wie man Lego spielt."
Das äußert sich auch kommerziell. Boeing lancierte in Le Bourget eine verlängerte Version des Dreamliners, den 787-10. Dieser kommt frühestens 2018; doch bevor die Amerikaner auch nur seinen Preis festgelegt haben, verbuchten sie in Bourget bereits erste Bestellungen, unter anderem von Singapore Airlines und British Airways.
Airbus-Verkaufschef John Leahy konterte bei der Airshow mit Plänen für einen neuartigen A350, der konvertierbar sein soll, entweder für Langstrecken oder Regionalflüge. Insgesamt habe sich der A350 "in den letzten fünf Jahren doppelt so gut wie der Dreamliner verkauft", fügte er an. Insgesamt konnte Airbus sein Heimspiel in Le Bourget diesmal nur mit Mühe für sich entscheiden. Das zeigte sich auch bei seinem " Flaggschiff", dem doppelstöckigen A380. Nur die Leasinggesellschaft Doric kündigte in Le Bourget eine Kaufabsicht an - immerhin bezüglich gleich 20 Modellen. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 22.6.2013)