Österreich leidet derzeit nicht nur unter brütender Hitze, sondern auch unter heißer Luft. Die produziert die Politik und liefert damit eine Vorstellung von dem, was uns in den nächsten knapp hundert Tagen bis zur Nationalratswahl noch bevorsteht. Luftblasen sind viele der Wahlversprechen, die Politiker derzeit abgeben: Da wird von ÖVP-Seite die hohe Steuerbelastung angeprangert, von SPÖlern werden die Reichen als Feindbild dargestellt, die FPÖ will plötzlich eine " inländerfreundliche Politik", um das Wort Ausländerfeindlichkeit zu vermeiden. Die Grünen haben öffentlichkeitswirksam das Thema Hochwasser für ihre Klausur genutzt, während Frank Stronach gleich mit einem 500.000-Euro-Scheck für die Hochwasseropfer ausrückte und via TV einen Kandidaten suchen wollte.

Wenn man sich vor heimischer Kulisse blamiert, ist das eine Sache. Geht es um internationale Vereinbarungen, die mit Blick auf den nahenden Wahltermin nicht mehr eingehalten werden, dann hat das eine andere Dimension. Blamabel ist die Art des Rückzugs der österreichischen Blauhelm-Soldaten vom Golan. Die 90-Tages-Frist für den Truppenabzug mit der Uno und die damit eingegangenen rechtlichen Verpflichtungen sollten der Regierung vor ihrer überstürzten Entscheidung bekannt gewesen sein.

Dass sich die Uno darüber beklagt, angesichts der Dissonanzen in der Koalition und damit im Außen- und Verteidigungsministerium keine Ansprechpartner zu finden, zeigt Unprofessionalität. Der von der SPÖ gestellte Verteidigungsminister Gerald Klug will, unterstützt vom Kanzler, möglichst rasch aus der Gefahrenzone, im ÖVP-geführten Außenministerium hat man mittlerweile das Kleingedruckte gelesen und erkannt, dass ein rascher Rückzug ohne Einvernehmen mit der Uno Rechtsbruch wäre.

Durch die Wahlkampfpanik setzt Österreich seinen Ruf als verlässlicher Partner international aufs Spiel. Der damalige Nato-Generalsekretär Javier Solana hatte einmal mit Bezug auf Österreichs Neutralität gemeint, dies könne auch eine Form von Unsolidarität sein. International war respektiert worden, dass Österreich zwar nicht der Nato, wo die Beistandspflicht gilt, beitreten will. Aber durch die Teilnahme an Blauhelm-Missionen - nicht zuletzt am Golan - hat das Land seit Jahrzehnten Solidarität bewiesen.

Damit wird nicht nur die Uno desavouiert, sondern auch Wien als einer von drei Standorten der Vereinten Nationen aufs Spiel gesetzt. Aber wenn man nur den nächsten Wahltermin im Blick hat, nimmt man solche Kollateralschäden offenbar in Kauf. Dass Diplomaten von "Flucht" sprechen und sich Militärs darüber beklagen, jetzt als "Weicheier" dazustehen, wird das Austro-Ego ramponieren.

Zu befürchten ist, dass in den nächsten Wochen noch weitere Ideen ausgebrütet werden. Die derzeit über Österreich rollende Pleitewelle könnte Anlass für Regierende sein, auf populistisch angehauchte Maßnahmen zu setzen. Die Opposition wird auch versuchen, daraus politischen Profit zu schlagen.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl hat einmal festgestellt, Wahlkämpfe seien Zeiten "fokussierter Unintelligenz". Nimmt man noch die Einschätzung von Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger dazu, während des Wahlkampfes müsse man mit dem Wortschatz eines Kindergartens auskommen, können wir uns noch auf einiges einstellen. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 22.6.2013)