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Der Fußballklub San Lorenzo de Almagro in Buenos Aires huldigt vor den Spielen seinem berühmtesten Anhänger.

Foto: AP/Caviano

Hundert Tage ist Papst Franziskus im Amt und Lateinamerika bereits um zwei Heilige reicher. Er hat Fußball im Vatikan etabliert, weiblichen Gefangenen die Füße gewaschen und den Weg freigemacht für die Seligsprechung des von rechten Todesschwadronen ermordeten salvadorianischen Bischofs Oscar Arnulfo Romero. Mit solchen Gesten hat er die Herzen der Latinos im Sturm erobert.

Für die Lateinamerikaner ist er ein "bescheidener Hirte und ein Papst zum Anfassen" - und genau darin sieht der Erzbischof von La Paz, Edmundo Abastaflor, bisher die wichtigste Handschrift von Franziskus. "Er hat die Kirche vom Kopf auf die Füße gestellt, sieht sich als Diener, nicht als Amtsinhaber, und das ist eine ganz andere Logik, nämlich von unten nach oben." All der Luxus, der einer europäischen Tradition entspringe, ändere sich nun und mache einer ärmeren, horizontaleren und authentischeren Kirche Platz.

Nicht alle sind gleichermaßen optimistisch, was künftige Reformen anbelangt. Immerhin wurde Franziskus verdächtigt, Befreiungstheologen der argentinischen Militärdiktatur ausgeliefert zu haben. Auch wenn die Vorwürfe nicht klar nachgewiesen wurden - dass Franziskus damals keine heldenhafte Rolle spielte und in Moralfragen ebenso konservativ ist wie seine Vorgänger, steht für den mexikanischen Kirchenexperten Bernardo Barranco fest.

Und dass er ausgerechnet den honduranischen Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga zum Vorsitzenden der Reformkommission ernannt hat, stimmt manche skeptisch. Maradiaga unterstützte 2009 nicht nur den Putsch in seinem Heimatland, sondern machte auch eine jüdische Lobby für das " mediale Aufbauschen der kirchlichen Missbrauchsskandale" verantwortlich. " Drei der Kardinäle der Reformkommission sollen Kinderschänder gedeckt haben", kritisiert der Kirchenwissenschafter Daniel Alvarez von der Internationalen Universität von Florida.

"Der Papst hat klare Zeichen gesetzt, dass er die Kirche von innen heraus verändern will", meint dagegen der Herausgeber der chilenischen Kirchenzeitschrift Reflexión y Liberación, Jaime Escobar. In der Reformkommission sitzen deshalb Kardinäle aus der ganzen Welt, darunter zwei aus Lateinamerika. Doch letztlich geht es um viel mehr als nationale Quoten, sagt der mexikanische Pfarrer und Leiter der Basisgemeinden, José Sánchez: um Dezentralisierung - was einhergeht mit Machtverlust in Rom. Daher hofft Sánchez auch auf einen zweiten Frühling für Laien und Basisgemeinden, die von Franziskus' Vorgängern an kurzer Leine gehalten wurden. Zwar fehlten bisher konkrete Maßnahmen, dass aber seine erste Auslandsreise Ende Juli zum Weltjugendtag nach Brasilien führt - der Hochburg der linken Befreiungstheologie -, sieht Sánchez als Zeichen der Hoffnung. (Sandra Weiss, DER STANDARD, 22.6.2013)