Wer nach einem Beispiel funktionierenden Last-Minute-Lobbyings sucht, hat es hiermit gefunden.

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Der "Antimafia"-Paragraf 278a bleibt, wie er ist. So haben es Bauernbund- und "Wirtschafts"- Kreise in der ÖVP erwirkt. Vergangene Woche haben sie durch massive Einflussnahme auf andere schwarze Parlamentarier im  Justizausschuss erreicht, dass die Strafrechtsbestimmung, laut der 13 Tierschützer jahrelang wie organisierte Verbrecher behandelt, aber schließlich freigesprochen wurden, doch nicht entschärft wird. Obwohl eine solche Entschärfung davor schon fix vereinbart war.

Das ist schon vom Ablauf der Dinge her ein starkes Stück. Wer je nach einem Beispiel funktionierenden Last-Minute-Lobbyings suchte, hat dieses hiermit gefunden. Es zeigt, wie gut die Taktik des beim-Alten-Lassen in Österreich funktioniert: besser als jede andere. Die konservative Lehrerschaft, die sich seit Jahrzehnten erfolgreich gegen die grundvernünftige Einführung der Gesamtschule stemmt, steht nicht allein!

Doch was verrät die Nicht-Entschärfung von Paragraf 278a, der Mitglieder einer "kriminellen Organisation" mit bis zu fünf Jahren Haft bedroht*, über die gesellschafts- und demokratiepolitischen Ansichten derer, die das erreicht haben? Zur Beantwortung dieser Frage helfen die Erklärungen ÖVP-Justizsprecher Peter Michael Ikraths nach dem Ausschuss weiter. Ihnen folgend wird klar, dass besagte Bauernbund- und "Wirtschafts"-Kreise auf Drohung mit der Kriminalisierungskeule setzen, um ihre Interessen zu wahren.

Paragraf nur "mit scharf"

Denn was befürchten diese "Betreiber von Pelzgeschäften", respektive deren Kunden, die von  hartnäckigen AntipelzaktivistInnen mit der dunklen Seite ihres Gewerbes (der Behandlung der pelzliefernden Tiere) konfrontiert werden? Mit AntipelzaktivistInnen, die für ihre Infostände und Straßentheater ähnlichen Aktionen, über deren drastische Inszenierungen man streiten kann, behördliche Bewilligungen haben?

Wovor schrecken Inhaber von Schweinemastbetrieben zurück, in denen Tiere in ihrem kurzen Leben, bevor man sie zu Fleischprodukten verarbeitet, vielfach jeder kreatürlichen Würde beraubt werden? Laut Ikrath meinen sie, ohne Paragraf 278a in der weiterhin scharfen Version "keine rechtliche Handhabe gegen geschäftsstörende Tierschützeraktionen"  mehr zu haben.

Genau diese "Handhabe" wurde von ExpertInnen jedoch als überzogen erkannt. Paragraf 278a, wie er seit 2002 formuliert ist, könne auch legale NGO-Arbeit ins Fadenkreuz des Mafiaverdachts rücken, hieß es  in einer nach dem Tierschützerprozess-Fiasko vom Justizministerium angeordneten Evaluierung.  Um Gesetzesverstöße zu ahnden, gebe es ausreichend andere Strafbestimmungen. Daher solle die Bestimmung entschärft werden, indem man im Gesetzestext präzisiere, dass mafiöse Verbindungen, anders als zivilgesellschaftliche Gruppen, in Gewinnabsicht tätig werden.

Lästige Proteste

Dem erteilten besagte schwarze Bauern und  Wirtschaftstreibende jetzt eine Abfuhr – und plädierten damit für die Einschränkung legalen politischen Engagements. Um sich lästige ProtestiererInnen vom Hals zu schaffen, sagten sie Ja zu einer Bestimmung, die sich bereits als gefährlich, ja toxisch gezeigt hat.

Ihr Kalkül lautet offenbar, dass diese ProtestiererInnen zurückhaltender agieren würden, so lange über ihnen das Pendel von Paragraf-278a-Ermittlungen schwebt. Dass sie aus Angst, polizeilich ausgespäht und in U-Haft gesetzt, monatelang vor Gericht gezerrt und existenziell ruiniert zu werden, auf Protest verzichten. Doch derlei Überlegungen sind nichts anderes als eine Befürwortung des Mundtotmachens – und zwar weit über den Anlassfall, die TierschützerInnenproteste, hinaus.

Denn die fortgesetzte Drohung trifft alle NGOs, die auf Interessenkollision mit Unternehmen oder Behörden gehen - was ihr Recht und vielfach sachlich sogar nötig ist. Sie trifft auch Greenpeace oder andere Umwelt,- sowie Menschenrechts- und Flüchtlingshilfsgruppen - wie Amnesty schon 2002 erkannte, als die Paragraf-278a-Verschärfung in Begutachtung war.

Diese Gefahr bleibt nach dem Willen der Regierungspartei ÖVP jetzt weiter bestehen - in einer Zeit zunehmender sozialer Proteste, auf unabsehbare Zeit, im demokratischen Österreich.  Das sollte zu denken geben. (Irene Brickner, derStandard.at, 22.6.2013)