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"Der Maturant wird dort abgeholt, wo er steht, der Lehrabsolvent aber nicht."

Foto: AP/DANIEL MAURER

Vor rund 20 Jahren, als die Fachhochschulen in Österreich gegründet worden sind, war eines ihrer expliziten Ziele, den Bereich der höheren Bildung für beruflich Qualifizierte zu öffnen. Kurzum: Ein Studium auch ohne Matura möglich zu machen - mit entsprechender beruflicher Qualifikation und Erfahrung selbstredend sowie zusätzlichen Kursen für den Studieneinstieg. Angebote dieser Art gibt es, sie werden nur sehr selten von entsprechenden Zielgruppen in Anspruch genommen.

"Menschen, die aus einer Lehrlingsausbildung kommend an einer FH studieren, nehmen in der Regel den Umweg über die Berufsreifeprüfung", sagt Thomas Mayr vom Institut für Bildungsforschung und Wirtschaft (ibw). "Und Lehrabsolventen ohne Berufsreifeprüfung machen nur drei Prozent aller FH-Studierenden aus", so Mayr weiter.

Die Möglichkeit dieser Form der Weiterentwicklung für Lehrabsolventen scheint einerseits noch nicht bekannt genug zu sein, andererseits könnte die "implizite Eingangsvoraussetzung Maturaniveau", wie Mayr es ausdrückt, von vielen potenziellen Kandidaten als Hürde wahrgenommen werden. Ein gewisses Niveau in Fächern wie Mathematik oder Englisch für den Studienbeginn zu verlangen ist gut und sinnvoll, so Mayr sinngemäß, allein die eigentlichen Stärken, nämlich die beruflichen Qualifikationen als Eingangsvoraussetzung, rücken damit in den Hintergrund.

Besser abholen

Mayr: "Der Maturant wird dort abgeholt, wo er steht, der Lehrabsolvent aber nicht." Einer beobachtbaren stärkeren Entwicklung der FHs in die akademische Richtung könnte man ein breiteres Angebot für die Weiterentwicklung respektive für den FH-Einstieg für Lehrabsolventen dazustellen.

An der FH Burgenland liegt der Prozentanteil jener, die ohne Matura ein Bachelorstudium absolvieren, bei 12,37 Prozent - das kann man als vergleichsweise hoch bezeichnen. Dort wie auch in anderen Fachhochschulen ist ein Studium nur mit Studienberechtigungsprüfung, Berufsreifeprüfung oder Zusatzqualifikationsprüfung möglich. Im Programm der FH Burgenland steht dafür ein zweisemestriger, kostenloser Vorbereitungskurs zur Verfügung, der an den Wochenenden abgehalten werde. Das Verständnis dafür, dass es nach jahrelanger ausschließlicher Berufstätigkeit schwierig ist, ins Studienleben zurückzukommen, sei da.

Dissertation ohne Matura

"Fleiß und Sitzfleisch" gehört dazu, sagt etwa Georg Pehm, Geschäftsführer der FH Burgenland. Es gebe allerdings schon Erfolgsgeschichten zahlreicher Absolventen, sagt er. Sonja Draxler etwa: Sie arbeitet seit ihrem Studienabschluss für den Burgenländischen Gesundheitsfonds, unterrichtet an der Krankenpflegeschule in Oberwart. Sie hat ihr Studium ohne Matura angetreten, aktuell arbeitet sie an der Fertigstellung ihrer Dissertation. (Heidi Aichinger, DER STANDARD, 23.6.2013)