Lehrerinnen und Lehrer dürfen und sollen Menschen sein – und Menschen machen Fehler.

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Im Juni gibt's Zeugnis vom Lehrer. Oder aber wir greifen auf alternative Leistungsbeurteilung zurück.

Wie auch immer - auch für mich ist's nun Zeit für ein Zeugnis. Und das hier ist so etwas wie meine ganz persönliche Lernfortschrittsdokumentation: Welcher Beitrag hat etwas in Bewegung gebracht? (Wohlgemerkt: Ich frage nicht danach, welcher Beitrag am meisten bejubelt wurde. Das ist keine Frage, deren Antwort einen Pädagogen oder eine Pädagogin ernsthaft interessieren sollte).

Was nehme ich mir für die Zukunft mit?

1.) Erinnern Sie sich an den Campino-Beitrag (Meine ersten Worte waren: Ich gestehe: Bei Campino hab ich immer zuerst ans Zuckerl gedacht und erst in zweiter Linie an den Sänger der Toten Hosen) Nun, nach diesem Blog-Eintrag hat endgültig der Mann das Zuckerl in die Tasche gesteckt. Und die Reaktionen haben bestätigt, dass LehrerInnen vor allem eins brauchen: Leidenschaft für ihren Beruf. Und dann ist es wohl nicht so wesentlich, wie sie unterrichten. Die Kinder zu erreichen, sie zu berühren-– das gelingt am besten dort, wo unsere eigene Begeisterung zuhause ist.

2.) Wenn ich gefragt werde, was ich für künftige LehrerInnen für wichtig erachte, antworte ich: Sie müssen Autoritäten sein. Und damit meine ich vor allem menschliche Autoritäten, die frei sind von Effekthascherei und die Augenblickserfolge mit kritischem Auge betrachten (vgl. dazu Autoritätsbegriff nach Alfred Petzelt: 1886-1967). Menschen, die ihren Weg aus Überzeugung gehen, manchmal Widerstand in Kauf nehmen, und den Weg der Wahrheit suchen. Was ist "das Richtige"? Das ist die Frage, die mündige PädagogInnen beschäftigt. Ein guter Lehrer oder eine gute Lehrerin weiß, dass das, was im Augenblick am wenigsten ankommt oder gefällt, vielleicht sogar betroffen macht, mehr bewirken kann als tosender Applaus von Eltern oder Kindern – ein Gedanke, der mich durch meine gesamte Blog-Zeit (oder soll ich besser: Böse Kommentare-Zeit sagen?) begleitet hat. Das hat mir Halt gegeben, und ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dass auch Sie im Aushalten von Gegenwind neuen, inneren Halt finden.

3.) Mein letzter Beitrag ist schon eine Zeitlang her. Der Grund dafür? Nun, mir ist nichts eingefallen. Und da auch ich versuche, den richtigen Weg zu gehen, und das Erfüllen einer "Pflicht" der bloß äußeren Erwartungshaltung wegen kein Motiv für mich ist, etwas zu tun oder nicht zu tun, hab ich's einfach sein lassen. Und auch das möchte ich mitgeben: Wir sind keine Wunderwuzzis, und dazu sollten wir auch stehen. Lehrerinnen und Lehrer dürfen und sollen Menschen sein – und Menschen machen Fehler.

4.) Wiederholt wurde mir vorgeworfen, dass ich keine Lehrerin bin. Nun ja, nachdem ich viele Jahre im Wiener Schuldienst versucht habe, mich zu den Kindern empor zu strecken, hoffe ich nun, meine Studierenden zu erreichen. Also: Ja, Sie haben recht mit diesem Vorwurf. Was mir daran nicht gefällt, ist der spürbare Eifer, im Gegenüber das Haar in der Suppe zu suchen. Das ist nicht die Haltung, die ein Lehrer oder eine Lehrerin haben sollte. Worum wir uns bemühen müssen (und das betrifft nicht nur Lehrerinnen und Lehrer) ist, das Gute im Gegenüber zu sehen und dran zu bleiben. Auf dass es sich immer noch mehr entwickeln möge.

So schließe ich, mit der Hoffnung auf eine humane Schule, die das Primat der Persönlichkeitsentwicklung vor strukturellen Veränderungen anerkennt. Sie lebt durch jeden von uns, durch Menschen mit Stärken und Schwächen, vor allem aber einer gehörigen Portion Mut.

Und weil diese meine Hoffnung fast täglich durch meine Studierenden genährt wird, lasse ich zum Abschluss im nächsten Beitrag sie zu Wort kommen. (Andrea Vanek-Gullner, derStandard.at, 24.6.2013)