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Spielte an seinem Ehrentag Beckett: Klaus Maria Brandauer. 

Foto: APA/JIM RAKETE

Wien - Klaus Maria Brandauers Krapp aus Samuel Becketts Das letzte Band ist ein liebenswürdiger Clown. Als er am 15. März in der Schinkel-Kirche in Neuhardenberg am eisernen Schreibtisch aus tiefem Schlummer erwachte, hätte man ihn an den Haaren ziehen können. So nahe standen die Kirchenbänke von der (von Ferdinand Wögerbauer eingerichteten) kohlschwarzen Bühne entfernt.

Vorgestern, Samstag, war das naturgemäß unmöglich. An diesem Abend feierte das Wiener Burgtheater Brandauers 70. Geburtstag. Krapp ist das jüngste Erzeugnis der Liebe zwischen Brandauer und Regisseur Peter Stein. Beckett schrieb das Stück 1958. Es spielt "spät abends, in der Zukunft". Sein philosophischer Witz besteht darin, dass es keine Gegenwart kennt. Der 69-jährige Krapp lauscht Tonbändern, die er als 39- Jähriger besprochen hat, um seiner weiter zurückliegenden Jugend als 27- Jähriger zu gedenken.

Von vor Ewigkeiten

Brandauer war bis Freitag vergangener Woche genauso alt wie derjenige Krapp, der leibhaftig auf der Bühne sitzt. Die Burgtheater-Bühne ist für diese hinreißend witzige Produktion viel zu groß. Aber Brandauer könnte den Krapp auch auf einem Flugfeld spielen. Sein Haar wirkt ohnedies zerzaust, als wäre es in den Luftzug eines Triebwerks geraten.

Wenn Krapp der klaren, ruhigen Stimme seines Alter Egos von vor Ewigkeiten lauscht, bemächtigt sich seiner Züge ein kindliches Staunen. Manchmal schmeckt er die eigenen Worte prüfend ab. Oder er schlägt einen Begriff im Lexikon nach: "Wittibtum". Krapp, der ab und zu hinter der Bühne verschwindet, um sich hustend am Schnaps zu laben, ist ein Verlierer. Aber indem Brandauer das ganze Elend mit entschlossener Geste an sich reißt, wird das kalkulierte Siechtum Krapps zu großer Kunst: Seht her, was für ein Mensch!

Die Gegenwart nach dem Schlussapplaus gehörte denn auch ganz Brandauer, dem Jubilar. Der versteht es wie kein anderer, zu feiern und sich zu freuen. Burg-Chef Matthias Hartmann huldigte stimmlich indisponiert dem "Größten" ("So viele Auszeichnungen! So viele Verdienste!"). Dieser ähnelte noch immer Krapp, hatte sich aber bereits über die Lehne eines verschnörkelten Plüschthrons geschwungen. Das Ensemble brachte ein Ständchen dar. Betriebsrätin Dagmar Hölzl überreichte den von der Kollegenschaft gestifteten "Ehrenring des Burgtheaters". Roland Koch verehrte ihm einen Hortensienstrauch, die Konfettikanonen entluden sich geräuschvoll. Der Bundespräsident grüßte brieflich aus dem schönen Lienz/Osttirol. Die auf die Bühne gerollte Torte glich einem klassizistischen Protzbau.

Krapp aber wurde zu Brandauer. Machte aus seiner Rührung kein Hehl und verneigte sich tief vor der Kollegenschaft. Wiegelte die Ovationen ab und zündete trocken zwei, drei Pointen. Der Lear im kommenden Winter könnte magisch werden. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 24.6.2013)