Petronell-Carnuntum - Bei den Royals kommt es zu Zwistigkeiten, und am Ende sind fast alle tot. Mit diesem Satz lässt sich ein guter Teil der Tragödien Shakespeares zusammenfassen, und doch bereitet er nicht annähernd auf das Blutbad vor, das sich bei King Lear, einem Gastspiel des Shakespeare's Globe Theatre bei der Art Carnuntum abspielte. Dieses ist jedoch weniger dem Treiben der Londoner Spielleute zuzuschreiben, als vielmehr einem Gelsenschwarm biblischen Ausmaßes, der den Zuschauerraum augenscheinlich mit einem All-you-can-eat-Buffet verwechselte.

Die Plagegeister außer Acht lassend, lieferte die traditionsbewusste Schauspieltruppe unter der Regie von Bill Buckhurst eine einnehmende Inszenierung der alten britischen Schule ab. Auf einer kompakten Holzbühne, in groben Kostümen und mit simplen Requisiten will man das Theater des 17. Jahrhunderts wiederaufleben lassen. Simple Blechplatten erzeugen da ein ohrenbetäubendes Donnern, ein wallender Vorhang verdeutlicht apokalyptische Sturmböen. Die weitere Kulisse, das märchenhafte römische Amphitheater von Petronell, ist im Festspielzelt zwar leider nicht mehr wahrnehmbar, dafür erfreut das achtköpfige Ensemble mit musikalischen Einlagen und ausdrucksstarkem Spiel, lässt die Textmasse fließen, als wäre den Darstellern der Schnabel tatsächlich so gewachsen.

Besonders Oliver Boot, Rawiri Paratene und Matthew Romain zeigen in jeweils drei Rollen eine beeindruckende Wandlungsfähigkeit, werden in Sekundenbruchteilen von Intriganten zu Sympathieträgern. Den tragischen König Lear, der sein Erbe unter den falschen Töchtern verteilt und dafür bitter büßen muss, spielt Joseph Marcell, bekannt unter anderem als Butler Geoffrey in der Sitcom Der Prinz von Bel Air. Seine ursprüngliche Heimat, der karibische Inselstaat St. Lucia, wird die letzte Station der diesjährigen Globe-Tournee. Zum Finale des Stücks, als Lear seine zu Unrecht verstoßene Tochter Cordelia (auch den Narr spielend: Bethan Cullinane) wieder in die Arme schließt, hat sich der einst polternde Herrscher in einen kindlich-zerbrechlichen Greis gewandelt. Marcell spielt dies so anrührend, dass selbst die allgemein wenig kunstaffinen Gelsen für die Schlussviertelstunde andächtig den Stechrüssel halten.

Am 24. und 25. Juli fallen die Briten mit The Taming of the Shrew noch ein weiteres Mal in Niederösterreich ein. (Dorian Waller, DER STANDARD, 24.6.2013)