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Als Phallussymbol funktionieren Gewürznelken, als Medikament gegen erektile Dysfunktion Tabletten, PDE-5-Hemmer im Fachbegriff.

4,35 Millionen Euro pro Tag. So viel hat das US-Pharmaunternehmen Pfizer im Vorjahr mit Viagra, der Pille gegen erektile Dysfunktion, umgesetzt. Das als Potenzmittel allseits bekannte Medikament brachte dem Konzern im Vorjahr 1,59 Milliarden Euro Umsatz. In Österreich ist es seit 1998 auf dem Markt. Pfizer hat mit der blauen Pille, die nicht zuletzt von US-Internetversandhändlern millionenfach mittels Spam-Mails beworben wurde, enorm gut verdient.

Dabei ist der Erfolg eigent- lich einem Zufall zu verdanken. Als Phosphodiesterase-5-Hemmer war der Wirkstoff zur Behandlung von Angina Pectoris entwickelt worden. Das Medikament verursacht eine Erweiterung der Blutgefäße. Während der Studienphase bemerkten die Testpersonen eine Nebenwirkung: Sie bekamen eine Erektion. Damit war ein neuer Arzneimittelblockbuster entdeckt.

Doch die goldenen Zeiten sind für den Hersteller nun vorbei. In Deutschland, Österreich sowie in anderen EU-Staaten ist der Patentschutz am Freitag abgelaufen. In Österreich stehen schon mehr als zwei Dutzend billigere Nachahmerpräparate am Start. Darunter auch die Pharmafirma der Familie von Ex-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, der steirische Medikamentenhersteller Gerot Lannach geht mit einem "Austro-Viagra" in den Markt.

Pfizer selbst hat, um Marktanteilsverluste aufzufangen, sogar ein eigenes Generikum entwickelt und bereits Anfang Juni lanciert. Der Name der konzerninternen Konkurrenz: "Sildenafil Pfizer". Die Potenzpille ist weiß statt hellblau und um 30 Prozent günstiger als das Original. Vor allem die Endkunden profitieren vom Viagra-Patentablauf, denn bisher haben die Kassen die Kosten bis auf wenige Ausnahmen nicht erstattet. Viagra gilt als "Lifestyle"-Präparat.

Weniger Wirkstoff

Genau das hat den Onlineverkauf angeheizt. Hersteller Pfizer hatte allerdings bei Stichproben vor zwei Jahren herausgefunden, dass vier von fünf online bestellten Pillen gefälscht waren und weniger Wirkstoff enthielten. Das war der Grund, warum Pfizer zusammen mit einem Partner aus dem Apothekenbereich begonnen hat, Viagra als Generikum selbst herzustellen und via Internet zu vertreiben. Offizielle Begründung: Pfizer wolle Patienten davon abhalten, Fälschungen zu kaufen. Gleichzeitig macht man billiger anbietenden Mitbewerbern das Leben schwerer.

Konkurrenz hat Pfizers Viagra denn auch schon seit vielen Jahren. Cialis von Lilly oder Levitra von Bayer waren Alternativen, die auf andere Wirkstoffe, jedoch mit gleicher Wirkung wie Viagra, setzten, und waren vom Patentschutz nicht betroffen.

Nicht zuletzt zeigt Viagra auch den Kampf der Pharmabranche um den Patentschutz. Bei einem weltweiten Tagesumsatz von mehr als vier Millionen Euro zählt jeder Tag, an dem ein Generikum später auf den Markt kommt. Je mehr Konkurrenzprodukte, umso stärker sinkt der Preis. Heftige Kämpfe um den Starttermin für Generika stehen in der Pharmabranche deshalb an der Tagesordnung und enden nicht selten auch vor Gericht.

So bekommt Pfizer im Patentstreit um das Magenmittel Protonix eine Milliardensumme von seinen Konkurrenten Teva und Sun Pharmaceutical überwiesen. Diesen Vergleich gaben die Pharmakonzerne vor wenigen Tagen bekannt. Damit zogen sie einen Schlussstrich unter ein Gerichtsverfahren, das vor mehr als einem Jahrzehnt begonnen hat.

Wer denkt, dass Patienten beziehungsweise Konsumenten von Patentstreitigkeiten profitieren, irrt. Auch das zeigte sich in diesen Tagen. Nach EU-Erkenntnissen haben mehrere Pharmafirmen gemeinsam jahrelang die Einführung preiswerter Medikamente gegen Depressionen verhindert. Die EU-Kommission verhängte nun am Mittwoch vergangener Woche Bußgelder in Millionenhöhe. Im Zentrum: das dänische Unternehmen Lundbeck und sein Antidepressivum Citalopram.

Das Geschäftskarussell

Als der Patentschutz dieses für die Firma umsatzstarken Medikaments 2002 ablief, versuchte man, den drohenden Wettbewerb zu verhindern, indem man Generikahersteller überzeugte, auf eine "Markteinführung zu verzichten", so verlautbarte die Kommission ihre Sicht auf den Fall. Lundbeck muss 93,8 Millionen Euro zahlen, die die sich auf den Deal einließen, auch. Konkret die deutsche Pharmafirma Merck, sie muss 21,5 Millionen Euro Bußgeld zahlen, die Unternehmen Arrow, Alpharma und Ranbaxy jeweils rund 10 Millionen Euro. Den Schaden solcher Deals hätten schlussendlich die Patienten und vor allem die nationalen Gesundheitssysteme, erklärte die Kommission. In Großbritannien etwa sei das Generikum nach seiner breiten Markteinführung nach Ende der Absprachen um im Schnitt 90 Prozent billiger gewesen als das Original von Lundbeck. Wie sich die preisliche Situation um die Potenzpillen entwickeln wird, werden die nächsten Monate zeigen. Interessant wird sein, ob die Nachfrage tatsächlich im Zusammenhang mit dem Preis steht. (Martin Schriebl-Rümmele, DER STANDARD, 24.76.2013)