Den Überwachungsalbtraum, den der Brite George Orwell vor mehr als 60 Jahren in seinem Roman 1984 vorhersah, scheinen seine Landsleute heute wahrmachen zu wollen: Der britische Geheimdienst GCHQ hört mit der "Operation Tempora" systematisch und in großem Maßstab das Internet ab. Keine gezielten, verhältnismäßigen und verdachtsgestützten Lauschangriffe sind das, sondern ein massives und unterschiedsloses Einfangen von Daten aller Art. Da bleibt nichts mehr privat.

Zugegeben: Dass Geheimdienste schnüffeln, kann nicht überraschen. Aber erschrecken muss der Umfang des von "Tempora" aufgesaugten Datenstroms. Täglich sind es 600 Millionen Kommunikationsakte, die die Geheimdienstler überwachen. Die Datenmenge wird mit rund 71.000 Schlüsselbegriffen gesiebt, was hängenbleibt, verdient das Inter­esse der Kollegen vom Außendienst.

Die britische Regierung hält das alles für ganz legal. Der Intelligence Services Act von 1994 erlaubt den Geheimdiensten, aufgrund recht weit gefasster Kriterien Kommunikation, die ins Ausland geht, auszuspionieren. Zu den Kriterien gehört neben nationaler Sicherheit und der Verhinderung schwerer Verbrechen auch die eher nebulöse Begründung: "im Interesse des ökonomischen Wohlergehens des Vereinigten Königreichs". Wenn es denn der Nation dient – damit lässt sich wohl so ziemlich jede Überwachung rechtfertigen. "Schöne neue Welt", würde da Orwells Kollege Aldous Huxley kommentieren. (DER STANDARD, 24.6.2013)