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Vor allem die Lachszüchter in Norwegen haben ein Interesse an den erhöhten Grenzwerten.

Foto: REUTERS/Stringer/File

Das Gift wird für hunderte Missbildungen und Erkrankungen in Südwestindien verantwortlich gemacht und soll zudem Schuld am großen Fischsterben im Rhein gewesen sein. Endosulfan hat nicht nur eine toxische Wirkung auf Insekten, das Pestizid beeinflusst auch die Fortpflanzungsfähigkeit bei Menschen und die Entwicklung bei menschlichen Föten. Deshalb ist der Einsatz des Gifts in 80 Ländern der Welt verboten. Seit 2011 steht das Pestizid auf der Liste der Stockholmer Konvention. Damit tritt stufenweise ein weltweites Herstellungs- und Anwendungsverbot in Kraft.

Trotzdem erhöhte die Europäische Kommission unlängst den Grenzwert für Endosulfan in Zuchtlachsen auf das Zehnfache. Statt 0,005 Milligramm dürfen nun 0,05 Milligramm in einem Kilogramm Fisch enthalten sein. Das ist vor allem im Interesse Norwegens, das der größte Zuchtlachsexporteur der Welt ist. Die nationale Lebensmittelbehörde "Mattilsynet" sprach in einer Aussendung davon, dass die Anhebung des Grenzwertes von großer wirtschaftlicher Bedeutung für die Zuchtindustrie ist.

Ein Schlag ins Gesicht

Für die Gesundheit der Konsumenten habe dieser Schritt keine Auswirkung. Die akzeptable Tagesdosis liegt laut Weltgesundheitsorganisation bei 0,006 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Das würde bedeuten, dass ein 15 Kilogramm schweres Kind bedenkenlos 0,08 Milligramm zu sich nehmen könnte, ein erwachsener Mensch mit 60 Kilogramm sogar 0,36 Milligramm.

Trotzdem nennt es Waltraud Novak von Global 2000 einen Schlag ins Gesicht, dass der Grenzwert angehoben wurde. Die Leiterin des Pestizidreduktionsprogramms verweist auf Studien, wonach Endosulfan in Verdacht steht, ein Endokriner Disruptor zu sein. Diese Stoffe wirken wie Hormone und können dadurch das Gleichgewicht des Hormonsystems von Säugetieren stören.

Bereits in kleinen Mengen giftig

Diese Disruptoren können bereits in sehr kleinen Mengen giftig wirken. Deshalb würde laut Novak der Satz "Die Dosis macht das Gift" auf sie nicht zutreffen. Erst in den vergangenen Jahren wäre verstärkt auf diesem Gebiet geforscht worden. Die Europäische Union habe sich noch nicht einmal auf eine Methode geeinigt, um diese Eigenschaft nachzuweisen. "Man weiß in Wahrheit zu wenig, um überhaupt einen Grenzwert festzulegen", sagt Novak.

Das norwegische Ernährungsinstitut Nifes sieht durch die erhöhten Pestizidwerte in Lachs keine gesundheitlichen Gefahren für Konsumenten. In einer Aussendung wirbt es sogar dafür, dass Schwangere und Kinder mehr Meerestiere essen sollen. Dem widerspricht der Biologe Jérôme Ruzzin in einem Artikel der taz. "Das Niveau von Umweltgiften im Zuchtlachs ist im Verhältnis zu anderen Lebensmitteln so hoch, dass wir reagieren müssen", erklärt der Wissenschaftler an der norwegischen Universität Bergen. Deshalb sollten vor allem Schwangere und Kinder möglichst geringe Mengen des Fisches essen.

Greenpeace für bessere Kennzeichnung

Auch in Österreich könnte norwegischer Zuchtlachs auf den Tellern landen – ohne, dass es die Konsumenten wissen. "In vielen verarbeiteten Produkten, Schlemmerfilets oder Nudeln mit Lachs, befindet sich Fisch, dessen Herkunft nicht deklariert ist", sagt Claudia Sprinz, Konsumentensprecherin von Greenpeace Österreich.

Im Gegensatz zu Frischfisch, wird die Herkunft von Fisch in verarbeiteten Produkten oft nicht augeschildert. Sprinz plädiert dafür, dass diese Kennzeichung verpflichtend wird. Vor allem der Pferdefleischskandal habe den Menschen bewusst gemacht, wie wenig sie über verarbeitete Produkte wissen. Es sei nun an den Herstellern, darauf zu reagieren.

Weniger Omega-3-Fettsäuren

Die norwegischen Lachszüchter beziehen ihr pflanzliches Futter vor allem aus Südamerika. Weil die Lachse vegetarisch ernährt werden, benötigen die Züchter zwar weniger und billigeres Futter, die gesunden Omega-3-Fettsäuren könnten im Fischfleisch dadurch aber weniger werden. Die taz zitiert den Osloer Herzforscher Harald Arnesen: "Der Zuchtlachs wird zum schwimmenden Gemüse." Das Fleisch enthalte nur noch halb so viele Fettsäuren wie noch vor zehn Jahren. (Bianca Blei, derStandard.at, 24.6.2013)