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8.000 Erdogan-Anhänger am Sonntag in Wien.

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Unterstützung aus Ankara? "Totaler Blödsinn", meint "New Vienna Turk" Fatih Köse.

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Wien - Über 8.000 Menschen gingen am Sonntag in Wien auf die Straße. Sie demonstrierten für den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, die Gegenkundgebung kam nur auf geringe 600 Personen.

Das liege daran, dass die Erdogan-Fans über eine Riesen-Organisation verfügen und Kanäle haben, über die sie Leute unmittelbar ansprechen können, sagt Kenan Güngör, Soziologe und Mitglied des Expertenrats für Integration. Ob das Thema nun für den Wahlkampf instrumentalisiert werden könnte, hänge stark davon ab, wie der Konflikt in der Türkei weitergeht.

"Was machen diese eigentlich da?"

Zumindest im Moment spaltet die Situation in der Türkei auch die heimische Politik. Nachdem der grüne Bundesrat Efgani Dönmez die Ausreise von Anhängern des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan gefordert hatte - eine Aussage, für die er sich anschließend entschuldigte - will nun FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ähnliches. "Die Erdogan-Fans, welche in Österreich für Erdogan demonstriert haben, sollten rasch in die Türkei heim und zurückkehren und sich vor Ort in der Türkei einbringen", forderte Strache via Facebook. Der FPÖ-Chef will wissen: "Was machen diese eigentlich da, wenn es ihnen in der Türkei so gut gefällt!?"

Eine Aussage, die ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch scharf kritisiert: "Einmal mehr beweist FPÖ-Chef Strache sein mangelndes Demokratieverständnis", reagierte auf das "entbehrliche und geschmacklose Posting."

Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) appelliert, "Konflikte, die es derzeit in der Türkei gibt, nicht in Österreich auszutragen". Er ist der Meinung, wer zugewandert ist, um sich hier eine Existenz aufzubauen, "sollte er sich auch als Österreicher fühlen und Konflikte nicht in das Land hereinbringen und auf der Straße austragen."

Die Demonstrationen seien aber weniger eine Frage der Integration, es gehe dabei mehr um Loyalität zu dem Herkunftsland, erwidert Güngör. "Auf die Straße gehen Leute, die in Österreich schon längst die Elite darstellen." Was das Herkunfts- und Heimatland angeht, gehe es weniger um ein entweder/oder sondern mehr um ein sowohl/als auch.

"Keine zusätzlichen Konflikte"

Alev Korun, Integrations- und Menschenrechtssprecherin der Grünen, kann mit Kurz' Aussagen nur wenig anfangen. "Niemand von uns wünscht zusätzliche Konflikte". Aber auch während des Jugoslawien-Krieges habe es unterschiedliche Haltungen jener Menschen gegeben, die aus dem damaligen Jugoslawien waren und in Österreich gelebt haben.

Überhaupt findet die Abgeordnete, dass es in der nun aufkochenden Debatte nicht um die Frage der Integration gehe, sondern wie man zu Menschenrechten und Meinungsfreiheit stehe. "Man kann die Landessprache sprechen und beruflich erfolgreich sein, aber trotzdem gegen Meinungsfreiheit. Uns geht es ganz klar um Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Das betrifft nicht nur Menschenrechte hier in Österreich, sondern auch in anderen Ländern wie z.B. in der Türkei", sagt Korun.

Dass die Grünen die Themenführerschaft hinsichtlich einer vernünftigen Integrationspolitik abgegeben haben, möchte Korun so nicht stehen lassen. "Wir stehen für Grundsätze wie gleiche, unteilbare Menschenrechte und werden unsere Haltung nicht ändern. Es mag Menschen geben, die damit nichts anfangen können. Dann werden sie uns nicht wählen", sagt sie in Hinblick auf ein Transparent auf der Erdogan-Demo, auf dem "nie wieder grün" zu lesen war.

In den Augen des Experten Güngör könnten die Demonstrationen jedenfalls einen Lerneffekt haben: "Nämlich dass in der Integrationspolitik aufgehört wird, in Kategorien zu sprechen. Die Türken sind nicht eine homogene Menge, da gibt es viele unterschiedliche Strömungen", sagt Güngör.

"Auch Gegendemonstrationen"

Das unterstreicht auch Korun, indem sie sagt: "Am Sonntag sind 8.000 Menschen von insgesamt ca. 200.000 türkeistämmigen in ganz Österreich für Erdogan auf die Straße gegangen, und es gab auch Demonstrationen gegen Erdogan ." Schwarz-weiß Malen bringe in der Debatte nichts.

Unterstützung aus Ankara "totaler Blödsinn"

Fatih Köse von den "New Vienna Turks" meinte gegenüber derStandard.at, er könne nicht genau sagen, wer die Demonstration in Favoriten organisiert habe. Er wisse nur, dass sie "von zwei Damen bei der Polizei angemeldet worden ist". Dass die Demonstration mit großzügiger Unterstützung aus Ankara organisiert sein soll, sei jedenfalls "totaler Blödsinn", so Köse. Wie er sich dann die Grußbotschaft des türkischen Ministerpräsidenten an die Wiener Demonstranten erkläre, die während der Demonstration zugespielt wurde? Die Wiener Kundgebung "macht natürlich auch die Runde in der Türkei – warum sollte er nicht live da anrufen und seine Unterstützung bekunden?" (mas, nik, os, rwh, derStandard.at, 24.6.2013)