Auch wenn die Grenz-Bauern leicht ins neue EU-Land reisen können, bleiben die Hühner ausgesperrt. Während sich die Nachbarn Kroatien und Bosnien-Herzegowina (BiH) in allerletzter Minute vor dem Beitritt noch über einen „kleinen Grenzverkehr" geeinigt haben -  Bürger, die bis zu fünf Kilometer von der Grenze entfernt leben, können vereinfacht passieren – wird die künftige EU-Außengrenze zur undurchlässigen Mauer für bosnische Hendln, Eier und Milch werden. Denn es fehlt die Zustimmung des Europäischen Lebensmittel- und Veterinäramtes (FVO).

Dabei ist für Bosnier der Markt in Kroatien essentiell. Zwar wurde in BiH ein „Hygiene-Paket" angenommen, das die Lebensmittelkontrolle den EU-Standards anpassen soll. Und die Hendlbauern beteuern, dass sie alle Bedingungen für die EU-Märkte erfüllen würden. Doch „das nützt nichts, wenn das Gesamtsystem der Regelwerke nicht funktioniert", so die Expertin Vesna Malenica von der NGO Populari in Sarajevo zum Standard. Sie prognostiziert große wirtschaftliche Verluste für BiH, besonders bei Fleisch und Milch, da Kroatien in diesen Bereichen der größte Handelspartner ist. „Und ich sehe keinen Plan B seitens der Regierung", kritisiert sie.

Sonderfall

Bereits im Februar wurden die bosnischen Institutionen aufgefordert wurden, die EU-Bedingungen umzusetzen, danach sollte das FVO zur Kontrolle kommen. „Doch das ist bis heute nicht passiert. Und das FVO plant gar nicht mehr heuer zu kommen", so Malenica. Die EU-Kommission hat zwar den Überwachungsplan für Lebensmittelrückstände in Honig, Geflügel, Eier und Milch für BiH angenommen. „Wir können nun Honig in die EU exportieren, aber die Voraussetzungen für Fleischexport müssen erst geschaffen werden." Malenica ist sich sicher, dass sich eine positive Erledigung vor dem EU-Beitritt Kroatiens nicht mehr ausgeht. „Obwohl die Ämter noch immer hoffen, dass man Bosnien-Herzegowina als Sonderfall behandeln wird."

Bisher hat das FVO dem Export – die letzte Überprüfung war im Februar 2012 – jedenfalls nicht zugestimmt. „Die einzigen Tierprodukte, die wir also exportieren werden sind neben Honig, noch Fisch und Tierhäute", so Malenica. Bosnien-Herzegowina führt zumindest ein wenig Gemüse und Früchte in die EU aus. Doch selbst der Export von Kartoffeln nach Kroatien wird erst 2015 möglich sein, denn die EU verlangt eine spezielle Überwachung der Resistenzen von Kartoffelpflanzen, die drei Jahre lang braucht., „Bosnien-Herzegowina hat erst 2012 damit begonnen", kritisiert Malencia die Saumseligkeit der bosnischen Behörden.

Durch den Beitritt zur EU, tritt Kroatien aus der Freihandelszone Cefta aus, zu der Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Moldau, Montenegro und Serbien gehören. Einige kroatische Hersteller wollen einen Teil der Produktionsstätten ins billigere Bosnien-Herzegowina verlegen, so etwa der Fleischproduzent Gavrilović und der Süßwarenhersteller Kraš. Der kroatische Ökonom Vladimir Čavrak glaubt allerdings nicht, dass dies viele sein werden, weil „die Geschäftsbedingungen unsicher sind und es andere Risiken gibt". „Der Handel in der Region ist eine condition sine qua non für die gesamte regionale Wirtschaft", fürchtet aber auch er insgesamt negative Auswirkungen für die Wirtschaft in der Region. In Metković bei Dubrovnik, ganz im Südwesten von Kroatien und in Gradiška an der Nordgrenze von Bosnien-Herzegowina wurden mittlerweile zwei Kontrollstellen für die Lebensmittel aus Bosnien-Herzegowina, die in die EU kommen sollen, eingerichtet.

Auch für den Personenverkehr wird die Grenze künftig strenger überwacht werden. Bosnier, die auch einen kroatischen Pass haben - und das sind die meisten bosnischen Kroaten - können diesen behalten, allerdings müssen sie einen ihrer Personalausweise abgeben. Und all jene, die einen Pass haben, der vor September 2009 ausgestellt wurde, müssen nun ein Schengen-Visum beantragen. (Adelheid Wölfl aus Zagreb /DER STANDARD, 25.6.2013)