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Türkische und EU-Flagge Seite an Seite vor einer Istanbuler Moschee (Archivbild)

Foto: AP Photo/Osman Orsal

Brüssel/Ankara - Nach fast drei Jahren Stillstand kann die Türkei einen Fortschritt bei den Beitrittsverhandlungen mit der EU verbuchen. Die EU-Außenminister gaben am Dienstag in Luxemburg grundsätzlich grünes Licht für die Eröffnung des umstrittenen Kapitels 22 zu Regionalpolitik. Wegen der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten in der Türkei setzte Deutschland, unterstützt von Österreich und den Niederlanden, durch, dass die offizielle Beitrittskonferenz allerdings erst im Herbst abgehalten wird.

Eine Sprecherin der irischen EU-Ratspräsidentschaft verkündete den Wortlaut der Einigung, der auf einem deutschen Vorschlag beruht: "Der Rat hat vereinbart, Kapitel 22 zu eröffnen, und unterstreicht, dass die Regierungskonferenz mit der Türkei nach der Vorstellung des jährlichen Fortschrittsberichts der Kommission und nach einer Diskussion des Allgemeinen Rates stattfinden wird, der die gemeinsame Position des Rates zur Eröffnung von Kapitel 22 bestätigen und ein Datum für die Beitrittskonferenz festsetzen wird."

Nur ein Signal

Dies bedeutet, dass die Türkei vorerst nur ein politisches Signal zur Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen bekommt. Die tatsächliche nächste Beitrittsrunde mit Eröffnung des neuen Kapitels muss im Herbst von den EU-Außenministern wieder einstimmig beschlossen werden.

Wegen des gewaltsamen Vorgehens der Polizei gegen Demonstranten in der Türkei haben Deutschland, Österreich und die Niederlande eine Verschiebung der Beitrittsgespräche verlangt. Der Fortschrittsbericht der EU-Kommission soll im Oktober vorliegen.

Die Europäische Union hat im Jahr 2005 formelle Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufgenommen. Erst eines von 35 Verhandlungskapiteln konnte vorläufig abgeschlossen werden - unter österreichischer EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2006. Wegen des Zypern-Konflikts liegen mehrere Kapitel auf Eis, das letzte wurde im Jahr 2010 eröffnet.

Außenminister Michael Spindelegger hatte am Montag betont, die EU müsse zeigen, dass sie eine Wertegemeinschaft sei. "Wir können doch nicht bei anderen Ländern wie in Ägypten ständig unseren Finger in die Wunde legen, aber dann wenn es um ein Kandidatenland geht, nicht."

Schweden zufrieden

"Eine überwältigende Mehrheit will das Kapitel eröffnen. Das ist das wichtigste. Der Termin für die Beitrittskonferenz war nie die entscheidende Frage", sagte der schwedische Chefdiplomat Carl Bildt. Auch der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sieht in dem Kompromissvorschlag "eine gute Lösung". Er zeige, dass die EU Interesse daran habe, in den Gesprächen mit der Türkei weiterzukommen und auch darauf reagiere, was in der Türkei geschehe. Den türkischen Stellen würde dies einen "Zeitraum zum Nachdenken" verschaffen. Es würde der EU erlauben, die Gespräche nicht abreißen zu lassen.

Spindelegger: Rhetorik entscheidend

Mit dem Beschluss werde Ankara "die Tür nicht zugeschlagen", bekräftigte Spindelegger am Dienstag weiters in einem APA-Gespräch. Es werde sich zeigen, wie die Regierung des islamisch-nationalkonservativen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit "dem Grundrecht der Bürger zu demonstrieren und den Menschenrechten generell umgeht".

"Ich kann die einzelnen Maßnahmen der Polizei nicht beurteilen", sagte der Vizekanzler, "aber wie man von Regierungsseite mit solchen Sachen umgeht und welche Rhetorik man an den Tag legt, das ist schon sehr entscheidend für einen Kandidaten, der in eine Wertegemeinschaft eintreten will." In der Türkei war es in den vergangenen Tagen mehrmals zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen regierungskritischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Erdogan hatte die Protestierenden unter anderem als "Terroristen" beschimpft, die den Islam nicht respektieren würden.

Österreich habe immer eine "klare Botschaft" gehabt, erinnerte der ÖVP-Vizekanzler: "Wir würden uns wünschen, dass es eine besondere Partnerschaft gibt mit der Türkei und keinen Vollbeitritt. Wir haben uns damit leider nicht durchgesetzt." Jetzt würde man sehen, "wie mühsam" so ein Prozess sei. "Ich bin nicht überzeugt, dass wir da nächstes Jahr fertig sind." (APA/red, derStandard.at, 25.6.2013)