Wien - In der Jugendabteilung der Justizanstalt Wien-Josefstadt ist es erneut zu einem schweren sexuellen Übergriff gekommen. Anfang Mai wurde ein 14-Jähriger in einer Mehrpersonenzelle von drei älteren jugendlichen Mitgefangenen misshandelt. Er soll dabei mit einem Besenstiel vergewaltigt worden sein, bestätigte Christian Timm, stellvertretender Leiter der Vollzugsdirektion, am Dienstagabend einen Bericht in der aktuellen Ausgabe des "Falter". Die für 921 Insassen konzipierte Einrichtung ist das größte Gefängnis des Landes.

Die Justizanstalt habe den Vorfall am darauf folgenden Tag bei der Staatsanwaltschaft angezeigt und die mutmaßlichen Täter verlegt. Das Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten sei noch nicht abgeschlossen, sagte Timm. Der 14-Jährige, der sich mittlerweile wieder auf freiem Fuß befindet, wird nachbetreut und befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung.

Häufigere Übergriffe

"Im Unterschied zu früher kommt es im Jugendgefängnis häufiger zu sexuellen Übergriffen. Jeder in unserer Abteilung bekommt einmal im Jahr so einen Fall", hält Norbert Gerstberger, Jugendrichter am Wiener Straflandesgericht und Obmann der Fachgruppe Jugendrichter in der Richtervereinigung, zur grundsätzlichen Problematik fest. Für Gerstberger hängt das mit der Auflassung des Jugendgerichtshofs zusammen, der unter dem damaligen Justizminister Dieter Böhmdorfer ins Wiener Straflandesgericht integriert wurde: "Die räumlichen Verhältnisse sind hier beengter, Vorgänge in den Hafträumen schwerer kontrollierbar."

Die Vollzugsdirektion weist das zurück. Die Infrastruktur für Jugendliche sei in der Justizanstalt Wien-Josefstadt deutlich besser und zeitgemäßer als seinerzeit im Jugendgerichtshof. Misshandlungen und Übergriffe stünden "nicht auf der Tagesordnung", versicherte Timm. Der letzte gravierende Zwischenfall sei vor eineinhalb Jahren passiert: "Wir haben nach diesem Vorfall eine vierseitige Richtlinie erarbeitet, um Mindeststandards im Betrieb garantieren zu können. Wir bemühen uns nach allen Regeln der Kunst, solche Übergriffe zu verhindern. Jeder einzelne Fall ist einer zu viel, aber wir werden solche Einzelfälle trotz intensivster Bemühungen in der Zukunft wahrscheinlich nicht verhindern können."

Aufklärung gefordert

In Hafträumen angehaltene Personen würden eine "Zwangsgemeinschaft" bilden, führte der stellvertretende Vollzugsdirektor weiter aus. Oft handle es sich dabei um sozial randständige, verhaltensauffällige Menschen: "Wir als Strafvollzug werden diese nicht durch Zwangsmaßnahmen zu Sängerknaben erziehen können."

Die Darstellung der Wiener Jugendrichterin Beate Matschnig, die im "Falter" die Haftbedingungen für Jugendliche im Grauen Haus "Folter" nennt, wies Timm scharf zurück. Auch Matschnigs Behauptung, die Zellen für Jugendliche würden von Freitag, 15. 00 Uhr bis Montag, 8.00 Uhr geschlossen bleiben, treffe nicht zu. An den Wochenenden blieben die Zellen bis 19.00 Uhr und ab 7.00 in der Früh geöffnet. Es gebe auch in diesen Zeiten eine Betreuung, "wenn wir uns natürlich mehr Ressourcen wünschen würden", wie Timm bemerkte.

Der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, forderte per Presseaussendung "eine umfassende Aufklärung über die Situation im Jugendstrafvollzug in der Josefstadt" und kündigte eine parlamentarische Anfrage an Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) an. Die Justizanstalt habe durchaus engagierte Beamte, "ist aber schlicht baulich und ressourcenmäßig für den Jugendvollzug nicht gerüstet", meinte Steinhauser. (APA, 25.6.2013)