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Demonstranten sind vor dem VIP-Eingang beim EU-Agrarrat in Luxemburg unerwünscht: Polizisten nehmen die Aktivisten fest.

Foto: EPA

Verhandeln bis zum Umfallen - oder zumindest bis zu einem prinzipiellen Abschluss aller wichtigen Elemente der Agrarreform, auch wenn man alle budgetären Konsequenzen noch nicht endgültig bewerten kann. So lautete am Dienstag das Motto der Verhandler von Agrarministern, der EU- Kommission und bei den Mitgliedern des zuständigen Ausschusses im Europäischen Parlament. Notfalls sollte beim Rat in Luxemburg wieder die Nacht über gerungen werden, damit die vielen Details noch geklärt werden können.

Denn nur so könnte die umfangreichste Reform der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) seit Jahrzehnten noch vor dem Sommer in den nötigen Gesetzgebungsprozess gebracht werden, damit die Änderungen - wie geplant - Anfang 2014 zu greifen beginnen können, hieß es in Brüssel.

Größter Unsicherheitsfaktor dabei: Weil es zwischen Regierungen und dem EU-Parlament vergangene Woche zu einem Eklat gekommen war, hängt nach wie vor die auf sieben Jahre (2014 bis 2020) ausgelegte Budgetplanung (der mittelfristige Finanzrahmen, MFR) in der Luft. Die EU-Abgeordneten pochen auf mehr Flexibilität bei der Verschiebung von Mitteln zwischen einzelnen Politikbereichen und Kalenderjahren.

Direktzahlungen

Das wäre naturgemäß für die Landwirtschaft bedeutend, die derzeit 39 Prozent aller EU-Mittel abdeckt - rund 380 von 997 Milliarden Euro in sieben Jahren.

Drei Viertel davon fließen in die Direktzahlungen an die Bauern. Rund 90 Milliarden Euro kommen Projekten der ländlichen Entwicklung zugute. Die Reform soll umweltgerechtes Wirtschaften fördern und die Subventionen fairer verteilen, sprich die historisch begründeten riesigen Unterschiede bei Prämien einebnen, vor allem zugunsten neuer EU-Länder.

Zum MFR sollen heute, Mittwoch, die Finanzminister in Brüssel beraten. Vermutlich werden sich jedoch die Staats- und Regierungschefs beim anschließenden EU-Gipfel ab Donnerstag des Themas annehmen müssen, um einen Durchbruch zu erzielen. Davon hängen nicht zuletzt die groß verkündeten Sofortmaßnahmen für Jugendbeschäftigung und zugunsten von Klein- und Mittelbetrieben ab. Was den Agrarbereich betrifft, hatten die Fachminister schon in der Nacht auf Dienstag einige Fortschritte erzielt. So sollen allzu große Verluste für einzelne große Betriebe durch Änderungen bei Direktzahlungen gedeckelt werden. Das trifft zum Beispiel vor allem die spanischen oder französischen Getreidebauern, denen für die nächste Periode zwischen 2014 und 2020 Einbußen von 40 Prozent und mehr gedroht hätten.

Milde statt Streichkonzert

Das soll nun mit 30 Prozent begrenzt werden. Umgekehrt sollen Subventionen an einzelne Betriebe nicht geringer ausfallen dürfen als 60 Prozent des Durchschnitts einer Region. 30 Prozent der Mittel für Direktzahlungen sollen dem "Greening" zugunsten der Umwelt vorbehalten sein. Allerdings war zunächst unklar, welche Sanktionen es gäbe, wenn Länder dagegen verstoßen.

Auch bei einem anderen Reformansatz, der Begrenzung der maximalen Höhe von Subventionen für einzelne Betriebe, zeichnete sich eine Verwässerung ab. Ein Limit von 300.000 Euro an Förderung soll zwar eingezogen werden, aber auf freiwilliger Basis seitens der Nationalstaaten. Kommission und Parlament drängten auf Verbindlichkeit.

Was nun die Förderung der ländlichen Entwicklung (zweite Säule der GAP) anlangt, die für Österreich aufgrund der kleinräumigen Struktur wichtig ist, wurde ebenfalls eine Umweltkomponente vereinbart: 30 Prozent der Gelder sind Ökoprojekten gewidmet.

Ob der Wunsch der nationalen Regierungen, 15 Prozent der kofinanzierten Mittel bei Direktzahlungen zur ländlichen Entwicklung umzuschichten (und umgekehrt) durchgeht, war zunächst offen. Auch das hängt von den Vereinbarungen der budgetverantwortlichen Minister bzw. der Flexibilitätsklausel ab. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 26.6.2013)