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So sieht @Vergaemer auf Twitter aus.

Foto: @Vergraemer

Nach seinem ersten Buch über Menschenangst hat er jetzt eines über Taubenangst nachgelegt: „Wenn ich etwas kann, dann nichts dafür“. Ironischerweise ist der Soziophobiker gerade auf Lesetour. Deshalb hat Olja Alvir das Interview mit Jan-Uwe Fitz alias @Vergraemer einfach über Twitter geführt: Ein Twinterview.

daStandard.at: Lieber Herr Fitz, wie erleichtert sind sie als - sagen wir - Menschenskeptiker, dass wir das Interview über Twitter führen können?

Jan-Uwe Fitz: Einerseits sehr, andererseits noch viel mehr.

daStandard.at: Was ist schlimmer - Tauben oder Menschen? Welche besondere Beziehung trennt sie von Tauben?

Fitz: Tauben, denn sie sind hinterhältig. Und halten es in der Nähe von Menschen aus, obwohl die sie nicht mögen. Bewundernswert.

daStandard.at: Wie halten sie die ganzen Menschions auf Twitter aus?

Fitz: Mit Menschions meinen Sie Menschen oder Mentions (Erwähnungen und Tags auf Twitter, Anm.])

daStandard.at: Beides natürlich!

Fitz: Die meisten Menschen auf Twitter sind gar nicht so schlimm. Überrascht mich selbst immer wieder.

daStandard.at: Was war bei Ihnen zuerst da - der Twitter-Account oder das Schreiben?

Fitz: Schreiben habe ich mit sechs gelernt. Twittern erst sehr viel später.

daStandard.at: Sie sind jedenfalls durch ihre Social-Media-Präsenz eine Marke geworden. Welche Bedeutung wird Twitter in Zukunft für Autoren haben?

Fitz: Inspiration, Austausch mit Lesern, weniger Elfenbeinturm, mehr Beleidigungen, Depressionen, Wut, Freude. Twitter ist Emotion.

daStandard.at: Kann man mit einem gut geführten Twitter-Account Geld verdienen? Werden Verlage Jungtalente hier suchen? Immerhin gibt es etwa einen großen Lyrikbezirk.

Fitz: Empfehlenswert wäre es. Habe aber keinen tieferen Einblick in die Verlagsstrategien. Kenne allerdings viele geeignete Twitterer.

daStandard.at: Wie zum Beispiel? Wem sollte man auf Twitter folgen?

Fitz: Haha, den Fehler habe ich einmal gemacht und das Geld haben damit andere verdient.

daStandard.at: Geld verdienen werden Sie aber wohl mit ihrem neuen Buch "Wenn ich etwas kann, dann nichts dafür". Es ist wieder voller wahnsinniger Exkurse und aberwitziger Geschichten. Wie halten Sie es mit der Übertreibung?

Fitz: Die Übertreibung ist ein Merkmal unserer Zeit. In allen Bereichen. Da muss man in der Kunst noch dicker auftragen, um vorn zu bleiben.

daStandard.at: Inwiefern ist es ein Merkmal unserer Zeit, dass Neurosen und Psychosen zu haben schon cool und hip ist? Man nehme Serienerfolge wie Monk oder The Big Bang Theory, wo endlich nicht nur Schurken, sondern auch Helden gestört sein dürfen oder müssen.

Fitz: Der Vorteil: Man muss sich Neurosen nicht mühsam erarbeiten. Jeder hat sie. Im Notfall ersetzen sie eine Ausbildung. Es ist wie mit Sex. Der offene Umgang damit ist bis zu einem gewissen Punkt eine Befreiung.

daStandard.at: Sehen Sie sich bei diesem Umgang eher als Vorreiter oder als Surfer auf einer Mode-Welle?

Fitz: Weder noch. Es ist eben mein Thema, das sich aus einer langen Zeit innerer Kämpfe entwickelt hat. Vorreiter war wohl Woody Allen. Sollte ich von der Mode-Welle profitieren können, wäre ich allerdings begeistert.

daStandard.at: Ist ihr verrückter Stil auch eine Form von Spiel mit Bekenntnisbüchern?

Fitz: Auf jeden Fall. Mich wundert, wie wichtig sich manche Menschen in ihren Bekenntnis-Büchern nehmen und das wollte ich karikieren.

daStandard.at: Heißt das, dass Humor auch bei akuter Menschen- und Taubenangst wieder mal die einzige richtige Medizin ist?

 Fitz: Mir hat er jedenfalls sehr geholfen. Allerdings mit dem Zusatz Albernheit.

 daStandard.at: Danke für das Gezwitscher. (Olja Alvir, daStandard.at, 25.6.2013)