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Schwarze Schafe gibt es in der EU viele, meint Kroatien-Expertin Corinna Stratulat. Dieser weiße Pudel findet sich in seiner Einzigartigkeit nur in Kroatien.

Foto: EPA/ANTONIO BAT

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Regierungsgebäude in Zagreb. Einträchtig wehen die Fahnen.

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In wenigen Tagen tritt Kroatien der Europäischen Union bei. Vorangegangen ist dem Beitritt ein jahrelanger Annäherungsprozess, in dem das Land Schritt für Schritt reformiert wurde. Schmerzhafte Wirtschaftsreformen hat Kroatien hinter sich gebracht, die Verhandlungen gerieten wegen eines Grenzkonflikts mit Slowenien immer wieder ins Stocken. Im März wurde die EU-Reife konstatiert, nur in den Bereichen Korruptionsbekämpfung und Justiz sah man noch Handlungsbedarf.

Dass der Reformprozess mit dem Beitritt zum Stillstand kommt, glaubt Corinna Stratulat vom Brüsseler Thinktank Europan Policy Centre nicht. Sie attestiert der kroatischen Politik den Willen, keinen Rückfall zu erleiden. Beitritt und Entwicklung des Landes seien vor allem für die Glaubwürdigkeit der EU-Erweiterungspolitik von großer Bedeutung.

derStandard.at: Kroatien wird mit 1. Juli das 28. Land der EU sein. Ist der Zeitpunkt günstig?

Stratulat: Trotz der wirtschaftlichen Krise steht die Europäische Union im Vergleich immer noch für Stabilität und Prosperität. Für Kroatien ist der Beitritt auf alle Fälle eine gute Entwicklung und eine Errungenschaft. In dem langjährigen Annäherungsprozess hat sich viel verändert, das war harte Arbeit für das Land. In diesem Jahrzehnt wurde der Transformationsprozess massiv weitergetrieben, Nachkriegsinstitutionen aufgebaut, eine Marktwirtschaft etabliert. Für Kroatien ist es ein Statussymbol, nun zu einer Gemeinschaft von Ländern zu gehören, die gemeinsame demokratische, soziale und ökonomische Werte verfolgen.

derStandard.at: Wie profitiert die EU von dem Beitritt?

Stratulat: Für die Glaubwürdigkeit der EU-Erweiterungspolitik sind der Beitritt Kroatiens und seine weitere Entwicklung von großer Bedeutung. Die EU kann damit zeigen, dass sie immer noch die Macht hat, Reform- und Transformationsprozesse in den Ländern zu initiieren, die sich um eine Mitgliedschaft bemühen.

derStandard.at: Der letzte Monitoring-Bericht der EU-Kommission für Kroatien vom März attestiert dem Land prinzipiell EU-Reife, weist aber darauf hin, dass etwa im Bereich der Korruption noch einiges getan werden muss. Wie kann garantiert werden, dass die Reformen nach dem Beitritt weitergeführt werden?

Stratulat: Korruption ist sicher eines der großen Probleme in Kroatien. Das unterscheidet das Land aber nicht unbedingt von anderen EU-Staaten. Damit will ich nicht sagen, dass das Land nicht weiter an dem Problem arbeiten müsste, sondern nur, dass Kroatien nicht das einzige schwarze Schaf in der EU ist. Die EU ist sich des Problems bewusst.

Kroatien ist sich bewusst, dass weitere Anstrengungen in den Problembereichen von ihm erwartet werden, und wird sich dieser Herausforderung auch stellen können. Die institutionellen Voraussetzungen sind gegeben, ebenso der Wille, keinen Rückfall zu erleiden. Das sieht man zum Beispiel an der Verurteilung von Ex-Premier Sanader. Demokratisierung ist ein Prozess, der nie abgeschlossen ist.

derStandard.at: Die drängendsten Herausforderungen sind aber wirtschaftliche. Kroatien ist seit fünf Jahren in einer Rezession, die Arbeitslosigkeit liegt über 18 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit bei mehr als 40 Prozent. Der Einstieg in den neuen Markt birgt Fallstricke.

Stratulat: Kroatien hat ernsthafte wirtschaftliche Probleme, die dringend angegangen werden müssen. Es gibt auch schon erste Maßnahmen. Aber das unterscheidet Kroatien wiederum nicht von anderen EU-Staaten, und es wird einfacher sein, gemeinsam Lösungen zu finden. Kroatien wird natürlich auch von EU-Töpfen profitieren können, falls es gelingt, die Gelder auch richtig einzusetzen.

derStandard.at: Die Kroaten selbst scheinen pragmatisch, aber nicht begeistert über den Beitritt zu sein. 58 Prozent der Befragten einer Umfrage der EU-Delegation in Zagreb glauben, dass nach dem Beitritt die Preise steigen werden, eine Mehrheit meint, es sei ihnen nicht zum Feiern zumute.

Stratulat: Die Bevölkerung ist allgemein unzufrieden mit der derzeitigen wirtschaftlichen und sozialen Situation im Land, und es ist nicht abzusehen, ob sich das durch den Beitritt ändern wird. Man ist unzufrieden mit der Politik und misstraut denen, die an der Macht sitzen. Das unterscheidet Kroatien allerdings auch nicht von anderen Ländern.

derStandard.at: Wird Kroatien – anders als Slowenien das für Kroatien tat – die anderen exjugoslawischen Staaten bei der EU-Annäherung unterstützen?

Stratulat: Kroatiens politische Spitzen haben diese Bereitschaft zumindest bekundet. Und ja, Kroatien selbst hatte Probleme damit, dass Slowenien seinen Annäherungsprozess für lange Zeit blockierte. Es bleibt zu hoffen, dass Kroatien seine Lehren daraus gezogen hat und den anderen exjugoslawischen Staaten nicht ähnliche Hindernisse in den Weg räumt.

Man wird sehen, ob diese Versprechen auch eingehalten werden und welche bilateralen Probleme sich noch ergeben, an die vielleicht keiner gedacht hat. Auch wird Kroatiens Entwicklung innerhalb der EU genau beobachtet werden. Sollte es gröbere Probleme geben, wird sich das natürlich auch auf die Aussichten der anderen exjugoslawischen Staaten auswirken. (Manuela Honsig-Erlenburg, derStandard.at, 27.6.2013)