Karl lobte in der "ZiB2" neuerlich die Qualität der Gefängnisse.

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Haftbedingungen und Alternativen zum Freiheitsentzug sollen nach einer Vergewaltigung in der Justizanstalt Josefstadt geprüft werden.

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Wien - Nachdem in der Justizanstalt (JA) Wien-Josefstadt Anfang Mai ein 14-Jähriger von drei älteren Zellengenossen schwer misshandelt und vergewaltigt worden ist, spricht Justizministerin Beatrix Karl von einem Einzelfall und lobt die gute Qualität der Gefängnisse. Dennoch denkt sie über Alternativen zur U-Haft für Jugendliche nach. Zudem möchte sie "im Großraum Wien" ein Gefängnis für 600 bis 700 Insassen bauen lassen, das die an ihren Kapazitätsgrenzen angelangte JA Josefstadt entlasten soll.

"Strafvollzug ist nicht das Paradies. Aber gerade im Jugendstrafvollzug haben wir die besten Gefängnisse, die wir je hatten", bemerkte die Ministerin. Speziell die JA Josefstadt - die für 921 Insassen konzipierte Einrichtung ist das größte Gefängnis des Landes - weise eine den Erfordernissen des modernen Strafvollzugs entsprechende Infrastruktur auf.

Karl lobte in der "ZiB2" neuerlich die Qualität der Gefängnisse und bezeichnet die Misshandlung des 14-Jährigen als bedauerlichen Einzelfall. Sie sprach von "besten Verhältnissen" in den Haftanstalten, diese seien allerdings kein Schlaraffenland.

Karl wies auch auf die Schwere der Tat des 14-Jährigen hin, dieser hatte allerdings noch keine Gerichtsverhandlung, das Verfahren gegen ihn ist mittlerweile eingestellt und er selbst aus der Haft entlassen. Karl sah erst keinen Grund, sich bei ihm zu entschuldigen, sie selbst sei sich keiner Schuld bewusst. Mehrfach wies die Justizministerin darauf hin, dass solche Fälle in einem Gefängnis eben nicht zu verhindern seien, da sei sie "keine Sozialromantikerin". Wenn es gewollt sei, würde sie sich bei dem Jugendlichen aber auch entschuldigen, eine Entschädigung müsste sie aber erst juristisch prüfen lassen.

Rückgang und Neubau

"Bei Jugendlichen, die in U-Haft kommen, sprechen wir von schweren Straftätern", hatte die Ministerin schon zuvor konstatiert. In gelinderen Fällen werde bei unter 18-Jährigen in der Regel keine U-Haft verhängt. In den vergangenen Jahren hätten sich die Häftlingszahlen in dieser Altersgruppe "zum Glück" deutlich reduziert, sagte Karl. Während etwa 2003 noch 100 Jugendliche in der JA Josefstadt angehalten wurden, befinden sich dort derzeit 20 Teenager in Haft.

Dennoch möchte die Ressortchefin mit einem neuen Gefängnis Kapazitäten schaffen, wobei sie einen Zeitpunkt, wann dieses in Betrieb gehen soll, nicht nennen konnte. Es gibt auch noch keinen konkreten Standort. Jedenfalls soll diese Justizanstalt nach den Vorstellungen der Ministerin "in Pavillon-Bauweise" errichtet werden und auch eine Jugendabteilung aufweisen, wo die Insassen nicht mehr - wie etwa in der JA Josefstadt üblich - in Mehrpersonenzellen gesperrt werden: "Zielsetzung wären Hafträume mit Zweier-Belegung."

Fußfessel und Unterbringung in Jugendorganisation

Möglicherweise wird in Zukunft 14- bis 18-Jährigen die U-Haft überhaupt erspart bleiben. Wie Karl erläuterte, wird in ihrem Ressort derzeit ein Modell geprüft, bei dem Beschuldigte bis zu ihrem Verhandlungstermin mit Fußfesseln bei Jugendorganisationen untergebracht werden sollen.

Wie die Justizministerin in diesem Zusammenhang betonte, sollen dabei jeweils nur einzelne einer Straftat verdächtige Jugendliche aufgenommen werden, da sich der Versuch, mehrere straffällig gewordene Jugendliche statt im Gefängnis in einer betreuten WG anzuhalten, nicht bewährt hat. "Wie sich herausgestellt hat, ist da die kriminelle Energie einfach zu hoch", erklärte Karl.

Volksanwälte wollen Bedingungen prüfen

Prüfen will auch die Volksanwaltschaft: Den Fall des 14-Jährigen will Gertrude Brinek zum Anlass nehmen, um die Vollzugsbedingungen in der Jugendabteilung in Josefstadt zu untersuchen. Die für den Strafvollzug zuständige Volksanwältin möchte sich dem Fall "mit der nötigen Effizienz" widmen.

"Wir werden sorgfältig prüfen" kündigte Brinek am Rande der Angelobung der neuen Volksanwälte in der Hofburg durch Bundespräsident Heinz Fischer an. Zudem wolle man sich in der kommenden Periode auch der Justizanstalten Mittersteig, Floridsdorf und Simmering in Wien widmen. Der Fokus werde aber aufgrund des jüngst bekannt gewordenen Falles auch auf die Einrichtung in der Josefstadt gerichtet sein.

"Natürlich ist es die Zielsetzung, dass wir solche Dinge in Zukunft a priori ausschließen", reagierte auch Volksanwalt Günther Kräuter, der mit 1. Juli den Vorsatz im Team übernimmt, die angeblichen Vorfälle, welche die Volksanwaltschaft "sehr betroffen" gemacht hätten. Es gehe dabei auch um die vorherrschenden Bedingungen im Strafvollzug. Sein Kollege Peter Fichtenbauer bestätigte ebenfalls, dass die Justizanstalt Wien-Josefstadt Thema sein werde. 

SPÖ fordert Wiedereinführung des Jugendgerichtshofs

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim forderte angesichts des Vorfalls die Wiedereinführung des im Jahr 2003 unter dem damaligen Justizminister Dieter Böhmdorfer aufgelösten Wiener Jugendgerichtshofs. Dies sei "ein Gebot der Stunde", befanden Jarolim und Wolfgang Moitzi, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich, am Mittwoch.

Es sei wichtig, straffällig gewordenen Jugendlichen eine zweite Chance zu geben, hielt Jarolim in einer Presseaussendung fest: "Dazu braucht es eine spezialisierte Jugendgerichtsbarkeit im Anschluss an Entwicklungen in anderen europäischen Staaten." Weiters sollten im Jugendstrafrecht Haftstrafen "nur ausnahmsweise eine Option sein". 

Gefängnisse müssen laut Grünen "gefüllt werden"

Für den Grünen Justizsprecher Albert Steinhauser sind demgegenüber "neue Gefängnisse keine Lösung. Autobahnen ziehen bekanntlich Verkehr an, neue Gefängnisse müssen mit Häftlingen gefüllt werden. Dabei hat Österreich ohnedies eine hohe Häftlingsquote und eine der höchsten Untersuchungshaftraten."

Steinhauser riet Karl per Presseausendung, "mit ihren eigenen Experten zu reden. Kaum jemand im Strafvollzug fordert neue Gefängnisse. Viele plädieren für eine funktionierende finanzielle Ausstattung der bestehenden Gefängnisse und Alternativen zur Haft".

Der unter anderem auf Resozialisierungshilfe für straffällig gewordene Jugendliche spezialisierte Verein Neustart stützt zumindest die Idee von Alternativen zur U-Haft für unter 18-Jährige. "Eine Verbesserung der U-Haft für Jugendliche ist nicht realistisch. Es braucht Alternativ-Modelle, die möglichst noch vor den Wahlen im Herbst geschaffen werden sollten", betonte Neustart-Sprecher Andreas Zembaty am Mittwoch. (APA/red, derStandard.at, 26.6.2013)