Nur grünes Licht oder doch etwas mehr? Dies blieb für Belgrad auch nach dem EU-Ministertreffen am Dienstag offen. Zwar sprachen sich die Außen- und Europaminister der Union in Luxemburg für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Serbien aus und stellten dafür Jänner 2014 in Aussicht. Doch wann genau und ob verknüpft mit weiteren Bedingungen, darüber entscheiden Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel am Freitag.

In Belgrad herrscht allerdings kein Zweifel daran, dass Serbiens Schicksal schon heute, Donnerstag, in Berlin besiegelt wird, wenn der Deutsche Bundestag über die europäische Perspektive Serbiens abstimmt. Die Regierungskoalition werde "empfehlen, Serbien bei dem EU-Gipfel grundsätzlich grünes Licht für Beitrittsverhandlungen zu geben", sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff, dem Berliner Tagesspiegel. Ein konkretes Datum " sollte aber erst nach einer erfolgreichen Umsetzung des Abkommens mit dem Kosovo festgelegt werden". Er gehe davon aus, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel "diese Position beim EU-Gipfel vertreten wird".

Serbische Medien berichten, dass sich Berlin dafür einsetzen werde, erst im Jänner über ein Datum für Beitrittsverhandlungen Serbiens zu entscheiden. Dies wäre eine kalte Dusche für serbische Regierungspolitiker.

Nach dem "historischen" Abkommen mit der Kosovo-Regierung im April und nachdem man mit der Umsetzung begonnen hatte, war man sich nämlich in Belgrad sicher, genug für den Beginn der Beitrittsverhandlungen getan zu haben. Dementsprechend stiegen die Erwartungen der Bevölkerung und die Unterstützung für den europäischen Integrationsprozess.

Serbien brauche keine "neuen Zwischenzeiten", "kein Lob", sondern ein konkretes Datum für den Verhandlungsbeginn ohne zusätzliche Bedingungen, erklärte Ministerpräsident Ivica Dacic. Alles andere würde die Implementierung des Abkommens mit Prishtina und die Reformen in Serbien " erschweren". Dacic sprach von der Glaubwürdigkeit der EU, doch es geht ihm vor allem um die Glaubwürdigkeit seiner Regierung, die harte Zugeständnisse in der Kosovo-Politik gemacht und die europäische Zukunft eindeutig vor die von der Kosovo-Frage geprägte Vergangenheit gestellt hat.

Zugleich stehen dem Land angesichts der tiefen sozialen und wirtschaftlichen Krise schmerzhafte Reformen bevor. Auf Empfehlung des Internationalen Währungsfonds (IWF) sollen bis Jahresende bis zu 25.000 Menschen aus dem öffentlichen Dienst entlassen, mehrere Dutzend staatliche Unternehmen geschlossen und das Haushaltsdefizit durch strenge Sparmaßnahmen behoben werden. Schon jetzt liegt die Arbeitslosigkeit bei 27 Prozent.

Bevor sich die Regierung auf die unpopulären, doch dringend nötigen Maßnahmen einlässt, erhoffte sie sich einen außenpolitischen Erfolg durch einen konkreten Termin für den Beginn der EU- Beitrittsverhandlungen ohne zusätzliche Bedingungen, der nicht nachträglich von einem EU-Gipfel verifiziert werden muss. Ein " Trostpreis", fürchtet sie, wird ihrer derzeit großen Popularität schaden und ihre Position für Wirtschaftsreformen schwächen. (Andrej Ivanji, DER STANDARD, 27.6.2013)