Sicher unterwegs: Helmpflicht herrscht für Kinder bis 12 Jahre, ist aber auch für erwachsene Radfahrer eine gute Idee.

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Auf der Prater-Hauptallee in Wien herrscht Hoch­betrieb. Unter den zahlreichen Läufern, Walkern und Spaziergängern befindet sich auch ein Radfahrer, einer von vielen: Er ist männlich, um die 30, sportlich, fährt heute ein Strecke von 4,5 Kilometern und braucht dafür 20 Minuten. Wahrscheinlich radelt er gerade von der Arbeit nach Hause in den 22. Wiener ­Gemeindebezirk.

Statistisch betrachtet, sieht ein Radfahrer in Wien genau so aus. Mehr Männer als Frauen, kaum Kinder und Jugendliche, eher sportlich als bequem, legen sie längere Strecken mit dem Rad zurück und wohnen am wahrscheinlichsten in der Donaustadt oder im 1. Bezirk. Verwunderlich ist das nicht, denn abgesehen von den großen Radwegen auf dem Ring, entlang des Donaukanals oder auf der Hauptallee sind die Wiener Radwege schmal, übersät von gefährlichen Kreuzungen mit Gehsteigen und zu Stoßzeiten oft überlastet.

Vorbild Kopenhagen

Trotzdem hat sich Wien zum Ziel gesetzt, eine Fahrradstadt zu werden. Das Vorbild: Kopenhagen oder auch niederländische Städte. Dort wurde schon vor Jahrzehnten massiv in den Ausbau des Radwegenetzes investiert. Heute kann man das Ergebnis nur bestaunen. In der Innenstadt Amsterdams etwa sieht man kaum noch Autos, und wenn, dann bewegen sie sich quälend langsam vorwärts. Stattdessen ist die Stadt übersät mit Fahrrädern, die Bewohner pflegen ihre Drahteselkultur, und auch im Winter bleiben die meisten wetterresistent und radeln weiter.

Bis 2015 soll auch in Wien mehr als ein Zehntel aller Wege mit dem Rad zurückgelegt werden. Ein ehrgeiziges Ziel, bedenkt man, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der Radler nur langsam gestiegen ist (2009 lag sie bei sechs Prozent). Und doch: Es tut sich was. In den letzten Jahren ist das Fahrrad wieder hip geworden, und der urbane Mensch greift heute gerne auf die umweltschonende Alternative zurück. Auch die Hipster sind auf den Fahrradkulturzug aufgesprungen und tragen zum Steigen der Popularität des Radls bei. Geschäfte, die sich allein auf die Bedürfnisse der städtischen Radcommunity eingeschossen haben, sprießen aus dem Boden, und Ideen wie die Radwerkstatt im Wuk, in der jeder selbst an seinem Drahtesel herumschrauben kann, erfreuen sich großen Zulaufs.

Fahrrad ist wieder Kult

Die Stadt hat zwar 2013 zum "Radjahr"ausgerufen, dennoch ist Wien eher eine autofreundliche Stadt, in der knapp ein Drittel aller Wege mit dem Auto zurückgelegt wird und die Parkpickerlfrage Emotionen hochkochen lässt. Für manche ist es trotz eines sich erweiternden Fahrradwegnetzes nicht einfach, auf ein anderes Verkehrsmittel umzusteigen. Ältere trauen sich die Fahrt mit dem Rad oft nicht mehr zu, und Eltern sorgen sich um ihre Kinder, sogar wenn sie mit ihrem Nachwuchs auf den Radwegen unterwegs sind. Die Frage, wie gefährlich man als Radfahrer in Wien lebt, scheint berechtigt.

Seit diesem Jahr hat die Stadt auch einen eigenen Fahrrad­koordinator, Martin Blum, und dieser hat zuerst die gute Nachricht: "Wien zählt beim Radfahren zu den sichersten Städten in Europa. "Trotzdem gebe es, so Blum, für viele Eltern eine Hemmschwelle, ihre Kinder, besonders im innerstäd­tischen Bereich allein Rad fahren zu lassen. In Wien fahren deswegen auch weniger Schüler mit dem Rad als zum Beispiel in Graz, obwohl Kinder ab zwölf Jahren grundsätzlich allein mit dem Rad am Straßenverkehr teilnehmen dürften. Falls sie einen Radfahrausweis haben, für den man eine Prüfung ablegen muss, schon ab zehn Jahren. Blum empfiehlt aber, besonders mit Kindern Straßen mit Auto- oder Lkw-Verkehr zu meiden: "Fast immer können stark befahrene Straßen auf Radwegen oder Nebenstraßen mit einem kleinen Umweg umfahren werden", sagt der Fahrradkoordinator und hofft, dass Schüler in Zukunft angeregt werden, auf dem Schulweg wieder in die Pedale zu treten.

Das hätte zahlreiche positive Effekte, denn Untersuchungen haben auch ergeben, dass Schüler, die mit dem Rad zur Schule kommen, sich besser konzentrieren können. Wo also sollten Verkehrsplaner in Zukunft ansetzen? Den Radverkehr entspannter gestalten, breite Radwege und Fahrradstreifen zur Verfügung stellen, Tempo-30-Zonen ausweiten und Kreuzungen übersichtlicher gestalten. Letztendlich geht es darum, dem Radverkehr mehr Raum zu geben. Denn derzeit sind Radler eher unerwünschte Gäste als gleichgestellte Partner im Straßenverkehr. Noch. Auf die Frage, ob sich Probleme mit grünen Radwegen lösen lassen, sagt Fahrradkoordinator Blum: "In Kopenhagen gibt es eine verkehrsberuhigte Straße im Zentrum, die rot gepunktet ist. Das sieht toll aus und verlangsamt den Verkehr. "Es gibt also noch Hoffnung. (David Tiefenthaler, Family, DER STANDARD, 26.6.2013)