Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht treibt viele absurde Blüten. Eine davon ist, dass meine Tochter, geboren am 9. Mai dieses Jahres in Wien, in Italien als Österreicherin gilt, in Österreich aber nicht.

Warum das so ist? Ich bin österreichischer Staatsbürger seit Geburt, die Mutter ist italienische Staatsbürgerin und lebt seit 1992 in Wien, seit 2000 arbeitet sie als Universitätsangestellte. Wir sind nicht verheiratet, unsere Tochter ist unehelich.

Und hier schlägt das derzeit geltende österreichische Staatsbürgerschaftsrecht zu: Während Kinder binationaler Ehen mit Geburt automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten, egal welcher Elternteil austriakisch ist, erhalten unehelich geborene Kinder einer binationalen Beziehung nur dann die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn die Mutter Österreicherin ist. Nur wenn sich die werdende fremde Mutter in die Obhut der Ehe mit dem österreichischen Zeuger begibt, ist das Österreichertum des werdenden Kindes besiegelt. So weit, so patriarchal, erinnert das Staatsbürgerschaftsrecht an völkisches Stammesdenken.

Der Europäische Gerichtshof hat den österreichischen Gesetzgeber nach einer Klage von Betroffenen im Jahr 2011 allerdings darauf hingewiesen, dass hier eine Diskriminierung von Kindern unehelicher binationaler Beziehungen und deren Vätern gegenüber ehelichen Kindern und deren Vätern vorliegt.

Der Verfassungsgerichtshof folgte dem Urteil, hob die Bestimmung wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz auf und verlangt bis Ende 2013 eine Reparatur. Antworten auf Nachfragen bei den zuständigen Verhandlern bei ÖVP und SPÖ nährten unsere Hoffnung, dass die beiden Regierungsparteien in der Lage sein würden, das Staatsbürgerschaftsrecht so zu modernisieren, dass auch Kinder berücksichtigt werden, die vor dem geplanten Beschluss der Novelle im Juli geboren wurden.

Amtlicher Rat

Doch bereits während der vielen Behördenwege, die die Geburt eines ausländischen Kindes im Unterschied zu einem österreichischen Kind - auch innerhalb der EU - nach sich zieht, zerstreuten Standesbeamte unsere Hoffnungen. Heiraten Sie, dann ersparen Sie uns und Ihnen viel Arbeit und Wege, war die Antwort auf den naiven Hinweis, dass der Nationalrat wohl eine vernünftige Novelle des Staatsbürgerrechts zuwege bringen würde. Ich erfuhr ferner, dass ich für unsere Tochter die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen könnte, Kostenpunkt etwa 2000 Euro. Mir fiel es schwer, im Standesamt die Contenance zu behalten. Ich summte meinem Töchterchen Azzurro vor, das Sehnsuchtslied Paolo Contes nach einem unbeschwerten Sommer und einem anderen Land (natürlich in der Version von Adriano Celentano). Am italienischen Konsulat erfuhr ich dann bei der Anmeldung unserer Tochter tatsächlich etwas Himmlisches: Unsere Tochter ist fortan überall auf der Welt nicht nur Italienerin, sondern gilt aufgrund meiner Vaterschaft und des italienischen Staatsbürgerschaftsrechts in Italien auch als Österreicherin! "Azzurro", summte ich, dann wird es ja wohl auch in Österreich klappen!

Am Samstag holte uns Staatssekretär Sebastian Kurz zurück auf den Boden der tristen Realität. Ja, das Staatsbürgerschaftsgesetz werde repariert. Nein, rückwirkende Geltung werde es keine geben, bloß ein vereinfachtes Antragsverfahren, Kostenpunkt 1000 Euro, tönte es aus dem Radio. Kann jemand einen sachlichen Grund dafür nennen, warum die Staatsbürgerschaft unserer Tochter 1000 Euro kosten soll? Warum sollen wir für die Fehler des Gesetzgebers zahlen? Ich stellte mir das zarte Gesicht des Staatssekretärs vor und legte Azzurro auf.

Die erste Reaktion vieler Menschen, denen wir von den Blüten des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts erzählten, war ungläubiges Kopfschütteln, die zweite aber schon jene der Standesbeamten: Heiratets doch, dann ist die Sache erledigt!

Anpassung an bereits festgestelltes Unrecht ist aber immer noch Ausdruck von Unvernunft. Deshalb werden wir gegen die Novelle des Staatsbürgerschaftsrechts mit rechtlichen Mitteln vorgehen, sollte die Diskriminierung im Staatsbürgerschaftsrecht nicht abgestellt werden. Mit Dario Fo sagen wir dem Staatssekretär: "Bezahlt wird nicht!" (Peter Pirker, DER STANDARD, 27.6.2013)