Wien - Martin Graf hat 35 Jahre in der Politik verbracht. Für die Ankündigung seines Abschieds brauchte er knapp zehn Minuten. Die nutzte der Dritte Nationalratspräsident bei einer Pressekonferenz am Donnerstag zum überwiegenden Teil dazu, den Medien die Meinung zu sagen und sich zum Opfer von Kampagnen zu stilisieren.
Das "Dauerfeuer der Medien und das Dauerfeuer einer hoch subventionierten linken Zivilgesellschaft" habe Spuren in allen seinen Lebensbereichen hinterlassen. Seine Partei, seine Mitarbeiter, seine Familie und er selbst hätten Schaden erlitten, sagte er. Daher müsse er sich wieder dem Privatleben und "zum persönlichen Rehabilitieren viel stärker den offenen Verfahren gegen mich widmen". Er werde im Herbst deshalb nicht mehr für den Nationalrat kandidieren.
Geheiminformationen aus der SPÖ
Von sehr guten Freunden aus "dem inneren Zirkel der SPÖ" habe Graf außerdem Informationen erhalten, dass die SPÖ eine "massive Schmutzkübelkampagne" gegen die FPÖ und seine Person vorbereite. "Man hat vor, die Hetze der letzten Jahre auf die Spitze zu treiben." Das wolle er seiner Familie ersparen.
Auf die Frage einer Journalistin, ob er sich nicht nur als Opfer sehe, sondern auch selbst Schuld an den Gerichtsverfahren und der Berichterstattung trage, sagte Graf: "Ich habe das Wort 'Opfer' nicht in den Mund genommen, ich habe nur gesagt, was Faktum ist. Ob ich Schuld oder nicht Schuld habe, das bewerten allenfalls Gerichte, aber nicht ich."
Graf arbeitet derzeit an einem Buch über seine politische Laufbahn. Außerdem werde er sich nach dem Ausscheiden aus der Politik seiner Consultingfirma widmen. Er bedankte sich gegen Ende der Konferenz bei der FPÖ und Parteichef Heinz-Christian Strache, "einem der größten politischen Talente unserer Zeit". Gerüchte, wonach Strache auf seinen Rückzug gedrängt habe, dementierte Graf.
Reaktionen: Harte Knochen, lange Monate
Mittels Aussendung erwies Strache Graf am Nachmittag seine "Hochachtung und zugleich tiefstes Verständnis für diesen Schritt. Martin Graf hat in den letzten fünf Jahren wie kein Zweiter für unsere Gesinnungsgemeinschaft in vorderster Linie die Knochen hingehalten."
Vom politischen Gegner durfte sich Graf freilich keine Huldigungen erwarten. Grünen-Chefin Eva Glawischnig sind selbst jene drei Monate zu lang, die Graf bis zur Wahl noch Abgeordneter sein wird: "So jemand sollte nicht nur auf seine Kandidatur verzichten. Er ist auch als Nationalratspräsident untragbar, selbst wenn es sich nur mehr um drei Monate handelt", sagte sie ebenfalls in einer Aussendung.
Offene Verfahren
Schon vor der Pressekonferenz war ein Interview Grafs mit FPÖ-TV online gegangen. Darin sagte Graf, dass alle gegen ihn laufenden Verfahren einstellungsreif seien, "aber solange der Polit-Mob gegen mich reitet, wird das nicht passieren". Erst vor zwei Wochen war ein für Graf unerfreulicher Beschluss des Oberlandesgerichts Wien in der Stiftungscausa bekannt geworden. Dem FPÖ-Politiker und den anderen Stiftungsvorständen werden dabei "grobe Pflichtverletzungen" in der Privatstiftung Gertrude Meschar vorgeworfen. Ebenfalls gegen Graf ermittelt wurde wegen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer in Seibersdorf.
Rechter Präsident
Der 53-jährige Jurist fühlte sich im Videointerview von "den Linken" verfolgt, weil seine Mitgliedschaft in der schlagenden Burschenschaft Olympia ebenso immer wieder öffentlich kritisiert wurde wie Kontakte von Graf-Mitarbeitern zum rechten Rand. Dennoch war er im Oktober 2008 vom Nationalrat mit großer Mehrheit - auch von vielen SPÖ- und ÖVP-Abgeordneten - zum Dritten Nationalratspräsidenten gewählt worden. Seit 1981 ist er bei den Freiheitlichen aktiv, seit 1994 sitzt er für sie im Parlament, mit einer Unterbrechung zwischen 2002 und 2006. (APA/red, derStandard.at, 27.6.2013)