Mit einem solchen Atomchip lassen sich Messungen nun noch genauer durchführen als bisher. Ein Bose-Einstein-Kondensat macht's möglich.

Foto: TU Wien

Wien - Für präzise Messungen setzen Wissenschafter gerne das Interferometer ein. Bei dieser Messmethode werden normalerweise entweder Licht- oder Teilchenstrahlen verwendet, je nachdem was man messen möchte. Forscher der Technischen Universität (TU) Wien haben nun einen neue Form von Interferometern entwickelt, die bis an die Grenzen der Genauigkeit gehen können. Dabei kommen sogenannte Bose-Einstein-Kondensate, also ultrakalte Teilchenwolken, zum Einsatz. Die Methode erlaube es, das die Messgenauigkeit limitierende Quantenrauschen zu unterdrücken, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift "Nature Communications".

Bei Interferometern lässt man beispielsweise zwei Lichtstrahlen zwei Wegstrecken zurücklegen und führt sie am Ende wieder zusammen. Dabei kommt es zur Verstärkung und Auslöschung der Lichtwellen, ein charakteristisches Interferenzmuster (Streifen oder -ringe) entsteht. Dieses wird durch die Differenz der beiden Weglängen bestimmt, die die einzelnen Strahlen bis zur Vereinigung zurückgelegt haben. Verändert sich die Länge eines der beiden Wege, verändert sich auch das Muster entsprechend - dadurch kann man dann die Änderung der Weglänge präzise bestimmen.

Mit Licht arbeitende Interferometer gibt es schon lange, etwa das vom Österreicher Ludwig Mach und dem Schweizer Ludwig Zehnder 1891 entwickelte "Mach-Zehnder-Interferometer". Dem österreichischen Physiker Helmut Rauch ist 1974 mit dem von ihm entwickelten, nach dem selben Prinzip funktionierende Neutronen-Interferometer erstmals der Nachweis von Materiewellen auf makroskopischem Maßstab gelungen.

Der Physiker Jörg Schmiedmayer und sein Team vom Atominstitut der TU Wien und dem Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ) hat die Idee des "Mach-Zehnder-Interferometers" neu aufgegriffen. Statt Licht schickt er aber ultrakalte Atomwolken, die auf einem Atom-Chip mit elektromagnetischen Feldern präzise gesteuert und manipuliert werden können, auf zwei Wege und überlagert sie dann.

Bei diesen Atomwolken handelt es sich um Bose-Einstein-Kondensate (BEC). Diese entstehen unter bestimmten Bedingungen, wenn man eine Atomwolke auf nahezu den absoluten Nullpunkt (minus 273,15 Grad Celsius) abkühlt. Die Teilchen verlieren dabei völlig ihre Individualität und schwingen im gleichen Takt - so wie Lichtteilchen in einem Laser im Gleichschritt schwingen. Die Physiker sagen dazu, Atome bzw. Lichtteilchen verhalten sich als gemeinsames Quanten-Objekt.

Nur mehr Heisenbergs Unschärferelation als Grenze

Atom-Interferometer werden heute bereits in vielen Präzisions-Messgeräten eingesetzt. Allerdings ist ihre Genauigkeit limitiert, und zwar durch das sogenannte Quantenrauschen. Durch geschicktes Ausnutzen der Wechselwirkungen zwischen den Atomen konnten die Wissenschafter dieses störende Rauschen unterdrücken. Die Messgenauigkeit ist nun nur noch durch Heisenbergs Unschärferelation beschränkt - an ihr kommt man nicht vorbei.

Die Mächtigkeit der Methode konnte in einer Gravitations-Messung unter Beweis gestellt werden: Nach dem Aufteilen des Bose-Einstein-Kondensats in zwei einzelne Atom-Wolken wurde die eine Wolke im Vergleich zur anderen um etwa 100 Nanometer (ein Nanometer ist ein Millionstel Millimeter) angehoben. Dadurch hat die höhergelegene Wolke etwas mehr Gravitations-Energie als die darunter liegende. Dieser Unterschied konnte im Interferometer eindeutig gemessen werden. Solche Präzision seien heute zwar auch mit anderen Interferometrie-Methoden erreichbar, doch durch die Unterdrückung des Quantenrauschens könnte bei der Verwendung von Bose-Einstein-Kondensaten in Zukunft die Genauigkeit noch deutlich gesteigert werden, betonen die Wissenschafter. (APA/red, derStandard.at, 27.06.2013)