Die rasterelektronenmikroskopische Aufnahme zeigt marines Phytoplankton (Coccolithen) der mittleren Kreidezeit. Während dieser Zeit kam es zu einem bedeutenden Kälteeinbruch, der großen Einfluss auf die Meeresökosysteme hatte.

Foto: AG Herrle

Die Kreidezeit ist als ausgesprochene Warmzeit bekannt - doch sie war nicht immer gleich warm: Vor etwa 116 Millionen Jahren kam es für 2,5 Millionen Jahre zu einer empfindlichen Abkühlung des Weltklimas. Besonders für die Meeresökosysteme hatte diese Klimaveränderung gravierende Folgen. Aktuelle Bohrungen vor der Küste Marokkos sowie Modellberechnungen lieferten Wissenschaftern nun neue Informationen über diese kühlere Ära mitten in der Hochblüte der Dinosaurier. Wirklich kalt war es allerdings zu dieser Zeit freilich nicht: Nach dem Rückgang der Temperaturen war es damals auf der Erde immer noch um Einiges wärmer als heute.

Grund für die Kältephase war die starke tektonische Aktivität der Erdkruste: Durch das Zerbrechen und Auseinanderdriften des Riesenkontinents Pangäa entstanden um Afrika, Südamerika und Europa neue ozeanische Becken, in denen riesige Massen winziger Meeresalgen lebten und der Treibhausatmosphäre durch Photosynthese gigantische Mengen Kohlendioxid entzogen. Mit dem Absinken abgestorbener Algen wurde dieses CO2, den Ergebnissen der Modellierungen zufolge insgesamt über 800.000 Gigatonnen, in Sedimentschichten am Meeresboden abgelagert und gespeichert. Der sinkende CO2-Gehalt der Atmosphäre ließ das Klima weltweit abkühlen.

Erstmals konnte nun ermittelt werden, wie lange diese Periode dauerte und um wie viel Grad die Temperatur sank: um ganze 5 Grad Celsius, auf immer noch 28 Grad Celsius. Obwohl die Produktivität der Ozeane in dieser Zeit insgesamt zunahm, brachen die Populationen vieler Organismengruppen zusammen, wie beispielsweise marines Phytoplankton und planktische Foraminiferen. "Dies zeigt, dass globale Abkühlungsprozesse ähnliche Krisen der marinen Ökosysteme und geochemischen Zyklen verursachen können wie starke Erwärmungsphasen in der Erdgeschichte. Die Zeitspanne, in der diese tektonisch ausgelösten Veränderungen damals stattfand, waren allerdings viel länger als der Zeitraum, in dem der heutige Klimawandel greift", sagt Jens Herrle von der Goethe-Universität Frankfurt, einer der Autoren der im Fachjournal "Nature Geoscience" erschienen Studie.

Vulkanische Tätigkeit beendete Kaltphase

Wie kam dieser gigantische Abkühlungsprozess wieder zum Stillstand? Die Autoren vermuten, dass die Freisetzung gewaltiger CO2-Mengen bei der vulkanischen Entstehung des heutigen Kerguelen-Archipels im Indischen Ozean die Temperatur weltweit wieder steigen ließ. Hinzu kam vermutlich, dass sich in den immer größeren ozeanischen Becken durch den Zustrom sauerstoffreichen Wassers nach und nach weniger CO2 in den Sedimentschichten ablagerte. Nach 2,5 Millionen Jahren wurde es auf der Erde schließlich wieder wärmer. Die Studie zeigt eindrücklich, wie eng das globale Klima mit den im Erdinneren stattfindenden Prozessen verknüpft ist und wie diese sich in Millionen von Jahren abspielenden Prozesse die Lebensräume auf der Erde und damit die Evolution beeinflussen. (red, derStandard.at, 30.6.2013)