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Immer mehr Junge sind vor allem in den südlichen Ländern Europas arbeitslos. (Bild: Demonstration in Madrid im Winter 2013; "Zu verkaufen: Meine Zukunft")

Foto: AP/Daniel Ochoa de Olza

Brüssel - Die beim EU-Gipfel in Brüssel im Kampf gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa beschlossenen Maßnahmen sind in Deutschland auf Kritik gestoßen. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin", die vorgesehenen sechs Milliarden Euro seien angesichts von Millionen arbeitslosen Jugendlichen eine "homöopathische Dosis".

Auch der deutsche Ökonom und Wirtschaftweise Peter Bofinger kritisierte bereits am Donnerstag das Sechs-Milliarden-Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit. Gegenüber dem Deutschlandradio meinte er, mit dem Geld werde man nur sehr, sehr wenig erreichen können. Die Jugendarbeitslosigkeit sei nur ein Symptom einer tiefer liegenden Krise und der Rezession in Euroraum. Das müsste man eigentlich bekämpfen, so Bofinger. Man müsse die Rezession stoppen und das Wachstum ankurbeln, damit Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden können. Das Sechs-Milliarden-Euro-Programm, das am Gipfel beschlossen wurde, sei nur Symptomtherapie.

"Ein Anfang"

Die sechs Milliarden für die Jugendbeschäftigung seien "ein Anfang. Man bräuchte sie eigentlich jährlich", sagte Kanzler Werner Faymann (SPÖ) am Gipfel. Eine dreijährige Ausbildungsgarantie in Österreich koste immerhin 45.000 Euro. Selbst wenn man angesichts der Probleme in den südlichen Staaten diese Kosten halbiere, "kommen wir nicht auf über 300.000 Plätze für drei Jahre", vergleichbar mit der österreichischen Ausbildungsgarantie.

Aber "wenn wir nicht das Geld nutzen, um eine Ausbildung aufzubauen und auch eine Berufsausbildung, wie das viele Länder kennen, sondern nur dafür nutzen, dass Jugendliche zwei Monate eine Überbrückung haben, dann ist das zu wenig. Und die Gefahr unserer Beschlüsse ist immer, dass sie nicht ausreichen. Deshalb wünsche ich mir, dass die sechs Milliarden als Start für eine qualitativ gute Ausbildung verwendet werden."

Die in vielen europäischen Staaten sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit war Hauptthema des EU-Gipfels. Europaweit haben mehr als 5,6 Millionen Menschen unter 25 Jahren keinen Job. Besonders schlimm ist die Lage in südeuropäischen Ländern wie Spanien und Griechenland, in denen die Quote bei 56 beziehungsweise knapp 63 Prozent liegt.

Mehrjähriges Budget

Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten sich in der Nacht auf Freitag geeinigt, die im EU-Budget eigentlich für sieben Jahre vorgesehenen Mittel für den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Höhe von sechs Milliarden Euro schon 2014 und 2015 auszugeben. Durch neu geschaffene Flexibilität im mehrjährigen EU-Finanzrahmen soll zudem weiteres Geld in Jugendbeschäftigung investiert werden können. Mobilisiert werden sollen damit auch nicht genutzte Mittel aus anderen Töpfen, laut EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy könnten die Mittel für die "Initiative für Jugendbeschäftigung" damit auf acht Milliarden Euro anwachsen. Kleine und mittlere Unternehmen sollen zudem Zugang zu günstigeren Krediten bekommen, um zu investieren und Jobs zu schaffen.

Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker betonte, die sechs Milliarden Euro seien nicht nur "symbolisch". Es sei aber richtig, dass die Jugendarbeitslosigkeit nicht allein "mit ein paar Milliarden Euro" bekämpft werden könne. Notwendig seien umfassende Politikmaßnahmen der Mitgliedsstaaten. Gleichzeitig warnt Juncker vor einer schweren sozialen Krise in der Europäischen Union. "Ich glaube, wir haben den Höhepunkt der Finanzkrise überschritten. Aber wir sind nicht am Ende der Wirtschafts- und Sozialkrise angelangt", sagte er in Brüssel. "Es kann sogar sein, dass die Sozialkrise sich noch dramatisch verschärfen wird."

Viele Menschen in den südlichen Krisenländern sähen "die Ergebnisse der Opfer, die sie gebracht haben, nicht bei sich zu Hause ankommen". Juncker bezeichnete Äußerungen des Gipfels zur sozialen Dimension der Krise als "dürftig": "Ich glaube, dass diejenigen, die sich mit dem Thema zu beschäftigen haben, sich noch nie richtig mit dem Thema beschäftigt haben."

Die Finanzkrise habe dazu geführt, dass die EU jetzt über bessere finanzpolitische Instrumente verfüge: "Niemand sollte denken, dass die Krise als solche bewältigt worden ist. Wir sind noch nicht über den Berg, aber wir sind auf dem richtigen Weg."

Wirbel um Briten-Rabatt

Für Wirbel hatte beim Gipfel der britische Premierminister David Cameron gesorgt, der eine neue Diskussion um das siebenjährige EU-Budget entfachte. Nach monatelangem Streit hatten sich Vertreter von EU-Parlament und Mitgliedsstaaten am Donnerstag vor Gipfelbeginn eigentlich auf den Haushalt in Höhe von fast einer Billion Euro geeinigt. Beim Gipfeltreffen verzögerte sich eine Zustimmung zu dem Kompromiss jedoch, weil Cameron noch einmal die Frage des britischen Nachlasses auf die Zahlungen nach Brüssel aufwarf.

Ein EU-Diplomat sagte, es sei "skandalös, dass ein EU-Gipfel erneut von Cameron als Geisel genommen wird". Der Premier wolle sich in Großbritannien als Sieger feiern lassen, das Vorgehen sei eines Regierungschefs unwürdig. (APA/red, derStandard.at, 28.6.2013)