Eine der interessantesten Meldungen der vergangenen Tage kam aus Frankreich, mon Dieu. Dort will nämlich gerade eine "Stiftung für Kinder" ihren Concitoyens und Concitoyennes die Backpfeife als traditionelle Erziehungsmethode madig machen. "Eine kleine Ohrfeige für sie - eine große Ohrfeige für ihn", heißt es in einem landesweit ausgestrahlten "Schockvideo", in dem eine genervte Maman dem renitenten Sohn beim Mittagstisch eine Tachtel auflegt, die nicht von schlechten Eltern ist.

So wie es aussieht, werden die Gutmenschen der Kinderstiftung allerdings auf Granit beißen. In einer Umfrage der Tageszeitung Le Figaro haben sich nicht weniger als 92 Prozent der französischen Befragten als eingeschworene Fans des Fotzens geoutet. Die werden es sich wegen eines bloßen "vidéo choc" gewiss nicht nehmen lassen, ihrem François auch weiterhin eine zu flaschen, wenn er den Text der Marseillaise nicht "par coeur" kann, bzw. ihrer Aimée eine anzurauchen, wenn sie ihren Château d'Yquem nicht austrinkt.

Denn: Die Franzosen wissen einfach um die zivilisierende Wucht einer liebevoll verabreichten "claque". Im verzärtelten Österreich hingegen, wo die Maulschelle sogar per Gesetz verboten ist, steht man sofort mit einem Bein im Kriminal, sobald einem einmal die Hand ausrutscht. Der Österreicher, der zur Pflege seines psychischen Gleichgewichts gerne straflos jemandem eine kleben möchte, muss sich an den unbefriedigenden Ersatz des Watschenmanns im Prater halten.

Dieser kleine transkulturelle Mentalitätsvergleich macht auch sogleich deutlich, woran es heute mangelt: nämlich an einem verbindlichen gesamteuropäischen Ohrfeigenregime. Wo die Franzosen frohgemut fotzen, da ist in den skandinavischen Ländern womöglich nur ein widerwilliges Watschen an der Tagesordnung. Der Brüsseler Bürokratie, die sich doch sonst in alles und jedes einmengt, scheint es egal zu sein, dass in Europa in einem gesetzlich unzureichend geregelten Raum getögelt wird.

Bescheidener Vorschlag, um diesem Manko abzuhelfen: Kommission, Rat und Parlament sollten sich so schnell wie möglich gemeinsam um eine europäische Watschenrichtlinie, wenn nicht sogar um eine Watschenverordnung bemühen. Die Europäer möchten schließlich wissen, woran sie sind, wenn sie ihre Kinder erziehen. (Christoph Winder, Album, DER STANDARD, 29./30.6.2013)