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Das war vor einigen Jahren, als der Beitritt noch in der Ferne lag.

Foto: EPA/Bat

"Angesichts des totalen Einbrechens der Investitionen herrscht hier Realitätsverweigerung", sagt der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Zagreb, Roman Rauch. Er kritisiert vor allem das neue Gesetz für strategische Investitionen, das erst Vorteile für Projekte über 150 Mio. Kuna (ca. 20 Mio. Euro) bringt. "In Zeiten wie diesen sind fünf Millionen Euro schon viel", verweist Rauch darauf, dass nicht zu erwarten ist, dass in Kroatien nach dem Beitritt kommenden Montag ein Investitionsboom ausbrechen wird. Das Gesetz sei kaum für private Investoren anwendbar, da gehe es nur darum, staatliche Großinvestitionen zu deblockieren, etwa Kraftwerksinvestitionen. Es sei auch fragwürdig, weil es etwa Umweltverträglichkeitsprüfungen weitgehend aushebeln könne und Berufungsmöglichkeiten fehlen.

Blutbad in Landwirtschaft

Rauch verweist darauf, dass die Investitionen in Kroatien seit 2008, aber besonders 2012 stark eingebrochen sind. "Kümmert euch doch bitte um die existierenden Investoren! Man schaut nicht auf das Anschlussgeschäft", appelliert der Experte. Denn auch in der Landwirtschaft seien neue Investoren unwahrscheinlich, nachdem ein Gesetz vorsieht, dass sieben Jahre lang kein landwirtschaftlicher Grund oder Waldflächen direkt von Ausländern gekauft werden dürfen.

Insgesamt sei die kroatische Landwirtschaft schlecht auf den Beitritt vorbereitet. "Da wird es ein Blutbad geben, weil die kleinen Betriebe nicht überleben werden können, wenn sie sich nicht schnellstens spezialisieren", sagt Rauch zum Standard. Denn die durchschnittliche Hofgröße liege in Kroatien bei 5,5 ha. "Das ist für den traditionellen Ackerbau viel zu klein. Es gibt auch keine Maschinenringsysteme. Sie produzieren einfach zu teuer, die Eigenvermarktung ist noch extrem schwach", so Rauch. Weil EU-Auflagen in den wenigsten Fällen erfüllt würden, könne es zu Streichungen von Beihilfen kommen.

Die Wirtschaftskammer schätzt, dass bis zu 45 Prozent der kroatischen Nahrungsmittelindustrie nach dem Beitritt "out of business" gehen werden. Insbesondere jene, die regional arbeiten, keine starken Marken aufgebaut und nichts Exportierbares haben. Es gebe kaum bekannte kroatische Produkte auf Auslandsmärkten. "Viele kennen maximal Vegeta, Cedevita und Jana-Wasser."

Zur Verwendung der EU-Fördermittel müsse der Staat dringend einmal definieren, in welche strategischen Bereiche die Investitionen fließen sollen, meint Rauch. "Nur der Tourismusbereich ist bisher gut darauf vorbereitet. Aber die anderen Teilstrategien fehlen noch." Zur Abschöpfung der EU-Fonds meint er: "Wir hören, dass erst 33 bis 34 Prozent der IPA-Mittel tatsächlich ausbezahlt wurden." Außerdem gebe es noch zu "wenig gute EU-Förderberater. "Die EU-Kommission hat der kroatischen Regierung sogar angeboten, nach Polen zu fahren, um zu lernen, aber die hat das offenbar abgelehnt", erzählt Rauch.

Mit dem EU-Beitritt stehen Kroatien 1,1 Milliarden pro Jahr aus Struktur- und Kohäsionsfonds-Mitteln zur Verfügung. Diese Mittel fließen aber nur, wenn eine Kofinanzierung durch öffentliche Stellen und Firmen gegeben ist. "Hier kann es zu Problemen kommen", prognostiziert Rauch.

Keine Planungssicherheit

Insgesamt kritisiert er, dass Unternehmer in Kroatien eine zu geringe Planungssicherheit hätten. "Investoren müssen wissen, wie viel Zeit man braucht, wie viele Genehmigungen, Steuern man zahlen muss. Und das ist nach wie vor nicht der Fall, sagt er. "Das Problem ist, dass die, die Transparenz wollen, noch in der Minderheit sind im Vergleich zu jenen, die wollen, dass es so bleibt. Und dieses Verhältnis muss sich erst umdrehen", analysiert Rauch. (Adelheid Wölfl aus Zagreb, DER STANDARD, 29.6.2013)