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Die Österreicher geben jährlich mehr als vier Milliarden Euro für Einrichtung aus. Einkaufen können sie auf einer Fläche so groß wie der Fuschlsee. Der Markt ist hochkonzentiert.

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Josef Frischeis, Gründer von Möbel Ludwig, hält in Wien seit Jahrzehnten die Stellung.

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Paul Koch arbeitet für Leiner/Kika künftig unter südafrikanischen Eigentümern.

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Wien - Josef Frischeis ist am leichtesten auf seinem Sechsergespann anzutreffen. Jahrzehntelang gab er weniger bei den Rössern als bei Möbel Ludwig das Tempo vor - bis er sich vor drei Jahren in die Aufsicht der Wiener Handelskette zurückzog und ihre Führung seinem Sohn überließ. "Ich habe fleißige Kinder", was wahrlich ein Glück sei, sinniert Frischeis. Sein Sohn arbeite 70 Stunden die Woche, er selbst sei auf 60 gekommen. Dass sich seine Familie von ihren Einrichtungshäusern trenne, sei ausgeschlossen. Denn verkauft werde in der Regel ja nur dann, wenn der Betrieb keine Gewinne mehr abwerfe. "Da verabschieden sich viele lieber rechtzeitig."

Auch wenn der Markt zunehmend härter werde - Möbel Ludwig habe Investoren "nicht nötig". Er habe stets mit wenig Fremdkapital gearbeitet, erzählt Frischeis. Die Hierarchie sei flach und die Zahl der Mitarbeiter im Verkauf wie in der Verwaltung schmal, ergänzen Mitbewerber. Von trashigem Image ist die Rede und einer Klientel aus dem Wiener Gemeindebau, die genau darauf stehe. Die Bilanz 2011 weist bei einem Umsatz von 50 Millionen Euro Erträge von zwei Millionen aus.

"Hätten viel Geld verbrannt"

Frischeis selbst will sich nicht auf den Diskont reduzieren lassen. Bei vier großen Häusern, eines mit 40.000 Quadratmetern an Verkaufsfläche, müsse man sämtliche Kundenschichten abdecken. Der Verlockung, in die Bundesländer zu expandieren, ist der Pferdefreak, der eigentlich Bauer werden wollte, niemals erlegen. Dies wäre auch misslungen, sind sich Marktkenner einig. Ehrgeizige Pläne, eine Diskontkette in Osteuropa aufzuziehen, gab er auf und beließ es bei einem Standort in Sofia. "Wir hätten dort viel Geld verbrannt." Es scheitere daran, dass im Osten nur wenige Konsumenten beim Kauf von Einrichtung auf Erspartes zurückgreifen könnten, Kredite seien schlichtweg zu teuer.

Möbel Ludwig ist einer der letzten Regionalkaiser des österreichischen Einrichtungshandels, der Mittelständler von Gröbl bis Elite über die Jahre verloren hat. In Tirol halten noch Martin Wetscher und Herbert Föger mit jeweils rund 25 Millionen Euro die Stellung. In Kärnten führt Josef Rutar vier große Häuser. Mit seiner Diskontlinie Dipo zog er sich aus Österreich zurück und expandiert mit ihr stattdessen in Slowenien.

Keine großen Sprünge

Österreichs Möbelhandel prägt ein europaweit einzigartiges Duopol. Im Wettlauf um die Marktführung pflasterten Leiner/Kika und Lutz das Land mit hunderttausenden Quadratmetern an Verkaufsfläche zu und saugten Vertriebstypen von Spielwaren bis zu Elektroware auf. Selbst Ikea, weltweit die Nummer eins, sieht in Österreich mit sieben Filialen und 635 Millionen Euro Umsatz klein aus.

Die Schweden sorgen vor allem mit Accessoires für Frequenz und verdienen damit gut - auch wenn die Erträge der Ikea Möbelvertrieb OHG laut Bilanz zuletzt um sieben auf 31,6 Millionen Euro sanken.

Nun steigt der südafrikanische Einrichtungsriese Steinhoff in Österreich ein und sichert sich durch den Kauf von Leiner/Kika mit einem Schlag 27 Prozent des Marktes. Dass dies, wie die bisherigen Eigentümer versichern, keine große Veränderung nach sich zieht, wird in Industrie wie im Handel stark bezweifelt. Denn Steinhoff muss Kika aus der Verlustzone führen und Filialen mit hohen Investitionen neu in Form bringen. Asset ist das breite Vertriebsnetz im Osten - krisenbedingt taten sich dort aber etliche Baustellen auf. "Steinhoff hätte sich nie die Übernahme einer schwachen Firma geleistet", sagt Paul Koch, dessen Familie Leiner über Generationen führte; er weist Spekulationen über Jobabbau scharf zurück: Sein Konzern sei gut mit Eigenkapital ausgestattet. "Banken gratulieren uns zu dem Deal, er ist eine Wahnsinnsgeschichte."

Enge Kontakte zu Steinhoff soll einst auch Marktführer Lutz gepflegt haben, bis es zur Entfremdung kam, berichten Insider. Thomas Saliger, Geschäftsführer bei Lutz, wischt das vom Tisch. Ebenso die These, dass sich die kapitalkräftigen Südafrikaner die Vormacht in Österreich holen könnten. Ihr Einstieg sporne jedenfalls an. "Wir brauchen neue Gegner, wir waren zuletzt verwöhnt."

Anders als bei Leiner und Kika scheut bei Lutz die Eigentümerfamilie das Licht der Öffentlichkeit. Wortspenden der Brüder Andreas und Richard Seifert sind Mangelware, Fotos der beiden haben Seltenheitswert. Was Gerüchte nährt. Während die einen hocheffiziente und kluge Geschäfte sehen, sprechen andere von undurchsichtigen Geldquellen und überhitztem Wachstum in Deutschland.

Ersteres stimme, von Gerüchten halte Lutz nichts, sagt Saliger, große Konzerne umgebe aber immer eine gewisse Mystik. Familie Seifert lege eben Wert auf Privatsphäre, sie brauche keine High-Society-Events fürs Ego. Lutz sei groß geworden mit Kostenführung. Expandiert werde mit Maß. Manager müssten im Verkauf klein beginnen. Und die Führung stehe auf breiten Beinen, "es ist kein zentral gesteuerter Megakonzern".

Rotes Tuch für Gewerkschaft

Möbelhäuser würden alle zehn, zwölf Jahre komplett saniert, man sei sich auch nicht zu schade, mit Vertriebslinien wie Mömax und Möbelix in kleinen Städten wie Braunau zu eröffnen. Für die deutsche Gewerkschaft ist Lutz jedoch ein rotes Tuch: Zwar habe sich der Konzern vor einem knappen Jahr zu einem Kontrollausschuss und der Überarbeitung der Arbeitsverträge durchgerungen, sagt Dirk Nagel von Verdi. Alle Kernprobleme blieben jedoch bestehen.

Anders als Ikea verweigere sich Lutz Tarifverträgen. Es gebe keine betriebliche Mitbestimmung. Die Konzernstruktur sei diffus und ge- be Mitarbeitern keinerlei Sicherheiten. Allein in Deutschland zähle er 300 zumeist rechtlich voneinander unabhängige Gesellschaften. "So etwas habe ich in 25 Jahren nicht erlebt. Es ist erschreckend und faszinierend zugleich."

Christian Wimmer, der mit den Verbänden Wohn Union und Garant 240 kleine Fachhändler vertritt, die mit Dienstleistungen und Design gut leben und wachsen, erwartet, dass Lutz Kika regional angreift. Er übt harte Kritik an der Rabattpolitik vieler Möbelketten: Da würden Listenpreise bewusst zu hoch angesetzt und Eigenmarken mit überzogenen Aufschlägen versehen - um dann mit Rabatten von bis zu 50 Prozent zu locken. "Das ist Betrug am Konsumenten."  (Verena Kainrath, DER STANDARD, 29.6.2013)