Kabul/Brüssel - Großbritanniens ranghöchster General in Afghanistan hat dem Westen vorgehalten, nach dem Sturz der Taliban in Afghanistan die Chance auf einen Dialog verpasst zu haben. Nach ihrem Sturz infolge der US-Militärintervention nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 seien die Taliban "auf der Flucht" gewesen, sagte der stellvertretende Kommandant der NATO-Truppen in Afghanistan, Nick Carter, der britischen Zeitung "The Guardian". Dieser Umstand hätte für eine Friedenslösung genutzt werden könne.

Wenn der Westen damals "sehr vorausschauend gewesen wäre, hätten wir feststellen können, dass eine endgültige politische Lösung (...) eingeschlossen hätte, alle Afghanen an einem Tisch zu versammeln und sie über ihre Zukunft reden zu lassen", fügte der britische General hinzu. Carter räumte zugleich ein, dass im Nachhinein jeder klüger sei. Spätestens jetzt müssten die Beteiligten aber erkennen, dass politische Angelegenheiten nur dadurch geregelt werden könnten, "dass Menschen miteinander reden".

Vor eineinhalb Wochen hatten die afghanischen Taliban im Golfemirat Katar ein Verbindungsbüro zur Vorbereitung von Friedensgesprächen eröffnet. Dass die islamistische Rebellenbewegung dabei aber die Bezeichnung "Islamisches Emirat Afghanistan", den offiziellen Namen des Staats während ihrer Herrschaft von 1996 bis 2001, verwendete und ihre damalige Flagge hisste, hatte den afghanischen Präsidenten Hamid Karzai erbost. Geplante Gespräche der US-Regierung mit den Taliban mussten wieder abgesagt werden.

Auf Betreiben der USA wurden die umstrittenen Hoheitszeichen, die dem Büro in Doha den Anschein der Vertretung einer Exil-Regierung gaben, wieder entfernt. Zudem bemühte sich der US-Sondergesandte James Dobbins im Gespräch mit Karzai um eine Beruhigung. Am Dienstag bekundeten US-Präsident Barack Obama und Karzai dann, dass sie gemeinsam Gespräche mit den Taliban unterstützten.

Die USA und ihre Verbündeten wollen kommendes Jahr alle Kampftruppen aus Afghanistan abziehen. Seit Beginn des Einsatzes Ende 2001 wurden nach Zählungen der unabhängigen Website icasualties.org mehr als 3300 ausländische Soldaten getötet. (APA, 29.6.2013)