Es pfeift ein Gespenst in Scheremetjewo, es ist das Gespenst des Edward Snowden. Gut eine Woche lang schon irrt der Whistleblower auf dem Moskauer Flughafen herum - zumindest offiziellen Angaben nach, laut denen er die Transitzone des Airports nie verlassen habe. Gesehen hat das Phantom seit dieser Zeit allerdings niemand; weder Touristen, die dort täglich zu Tausenden abgefertigt werden, noch Journalisten, die seinetwegen Tickets nach Havanna, der vermeintlich nächsten Station seiner Reise, erwarben und nun seit Tagen vergeblich hinter jede Tür der Transitzone spähen.

Gerüchte, dass Snowden sich längst andernorts in der Obhut russischer Geheimdienstler befindet, werden deshalb immer lauter, zumal er mit seinem von den US-Behörden annullierten Pass wenig Möglichkeit hat, in ein anderes Land auszureisen. Zuletzt distanzierte sich auch Ecuador vom Ex-Geheimdienstler. Präsident Rafael Correa erklärte, Snowdens Schicksal liege in russischer Hand. Möglicherweise schon seit geraumer Zeit: Laut Leonid Iwaschow, dem Präsidenten der Akademie für geopolitische Probleme, war bereits seine Überführung aus Hongkong nach Moskau eine Aktion des russischen und chinesischen Geheimdienstes.

Ärger mit den USA gewohnt

Offiziell streitet Moskau nach wie vor jede Beteiligung am Schicksal Snowdens ab. Wladimir Putins Sprecher Dmitri Peskow betonte am Sonntag, für den Kreml sei Snowden kein Thema, weil er de jure nicht nach Russland eingereist sei. Putin selbst hatte bereits vor Tagen erklärt, er wolle mit dem Fall nichts zu tun haben: "Das ist wie ein Schwein scheren; wenig Wolle und viel Gequieke", zog er einen drastischen Vergleich.

Andererseits ist Russland Ärger mit den USA gewohnt. Die Beziehungen sind seit langem gespannt. Durch die Aufnahme (oder Übernahme) Snowdens würde Moskau Experteneinschätzung nach keine weitere Eskalation der Lage riskieren. Innenpolitisch könnte Putin mit diesem Schritt sogar punkten, schließlich geht es gegen die USA. Nicht nur Hardliner, wie der Leiter des Außenausschusses der Duma Alexej Puschkow, sehen eine Auslieferung Snowdens als "moralisch unvertretbar" an. (André Ballin, DER STANDARD, 1.7.2013)